Schlangenkopf
Idiot. Und dass auf der anderen Seite ein Idiot steht, das ist das Allerschlimmste, was einem im Krieg passieren kann.
Noch immer weiß sie nicht, was sie tun soll. Die Aktion abbrechen? Vermutlich wäre es das Beste. Sie müsste nur zurück zu der hinteren Tür, und schon wendet sie sich nach links. Aber ein merkwürdiges Scharren lässt sie in der Bewegung innehalten. Sie fasst die Pistole fester und schnüffelt. In der Luft ist etwas, das ihr auf die Atemwege schlägt und die Schleimhäute anschwellen lässt, plötzlich riecht sie es, es muss eine Katze im Raum sein, sie spürt, wie etwas ihre Beine streift und maunzt, nun hilft nichts mehr und sie muss niesen, ein ums andere Mal. Sie hat ein Spray, das die allergische Atemnot dämpft, aber das muss sie erst aus der Tasche holen. Sie schaltet die Taschenlampe ein, und während sie das tut, streicht noch immer die Katze um ihre Beine, sie versucht, das Tier mit einem Fußtritt zu verscheuchen, aber die Katze hält es für ein Spiel und krallt ihr die Pfoten ins Bein und scharrt wie irrsinnig mit den Hinterläufen, gleichzeitig schlägt Olgas Mobiltelefon an, warum um alles in der Welt hat sie das nicht ausgeschaltet?
Sie versetzt der Katze einen wütenden Hieb mit der Taschenlampe, worauf das Tier nun doch loslässt und sich unters Gerümpel flüchtet. Noch immer klingelt das Mobiltelefon, sie weist das Gespräch ab und sucht sich – in der einen Hand die Taschenlampe, in der anderen die Pistole – den Weg durch Plastikstühle und Gartentische zur rückwärtigen Tür, aber die Tür lässt sich nicht öffnen. Wieder muss sie niesen, wieder klingelt das Handy, diesmal meldet sie sich mit einem knappen »Ja?«
»Sind Sie das, Olga?«, fragt eine Männerstimme, »Sie klingen etwas erkältet. Dabei hätte ich mich gerne mit Ihnen unterhalten. In aller Ruhe. Zuletzt war es ja ein bisschen hektisch.«
Jetzt erkennt sie die Stimme, sie gehört dem grauen Mann. »Ich werde Sie töten«, antwortet sie. »Sonst gibt es nichts zu reden.«
Z latan geht an den Gärten entlang. Seine Haltung ist geduckt, die rechte Hand steckt in der Tasche des Ledermantels, der für ihn ein wenig zu weit ist. Die Hand umklammert die Pistole, es ist eine Beretta 92, also eine richtige Knarre, die US Army schießt damit, und er hat sich vergewissert, dass das Magazin voll ist, fünfzehn Schuss. Wer so ein Ding in der Hand hat, lebt deswegen nicht sicherer als andere Leute. Aber er ist nicht wehrlos. Er ist niemandem ganz und gar ausgeliefert, wer immer ihm begegnet.
Zwischen den Häusern flackert Blaulicht von der Straße her. Nun ist die Polizei also doch gekommen.
Er beschleunigt den Schritt und duckt sich noch etwas mehr. Die Polizei wird jetzt erst einmal genug zu tun haben. Das heißt, erst einmal muss sie begreifen, was der graue Mann ihr alles erzählt. Dass er in dem Schuppen eine Frau festgesetzt hat und dass das diese Olga ist und was es mit ihr auf sich hat.
Irgendwann werden Berndorf und seine Freundin und dieser Anwalt sich fragen, wo eigentlich der Zlatan geblieben ist. Und dann? Dann werden sie herausfinden, dass er weg ist. Auf und davon. Und? Nichts und. Er hat diese Leute nicht gebeten, sich in sein Leben einzumischen.
Inzwischen geht er nicht mehr über Ackerrain, sondern auf einem richtigen Fußweg, vor sich sieht er die Umrisse einer Baracke, davor ist ein Wagen geparkt, das Auto sieht nach gehobener Mittelklasse und vor allem neu aus, also hat es eine elektronische Wegfahrsperre, also würde er nur Zeit damit verlieren.
Er geht weiter und ist schon halb an dem Wagen vorbei, als ihm auffällt, dass er rückwärts vor die Baracke geparkt worden ist. Plötzlich muss er daran denken, dass dieses rückwärts Einparken eine Manie von Leuten ist, die den Führerschein beim Militär gemacht haben – immer auf dem Sprung, wenn das Vaterland ruft und andere Leute totgemacht werden müssen.
Er dreht sich um und geht zur Fahrertür, zieht sie auf. Sie ist nicht abgeschlossen, die Innenbeleuchtung geht an, auf dem Rücksitz liegt ein großes, in Papier eingeschlagenes Blumenbukett, Zlatan nickt und beugt sich über das Lenkrad und stellt fest, dass der Zündschlüssel steckt.
A ls die Polizei endlich eingetroffen war, hatte sich einer der Beamten – Polizist Eins – Barbaras Fahrzeugschlüssel geben lassen und das Auto weggefahren. Danach schob sich der Streifenwagen bis auf ein paar Meter an die Scheune heran, so dass seine Scheinwerfer die Bretterwand des Tores hell
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