Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
Schleswig-Holstein, der daraufhin gesperrt wurde. Ein paarTage später weitete sich der Skandal aus. Betroffen waren Legehennenfarmen, Schweine- und Putenzüchter. EineWoche später wurden wegen des Dioxinskandals mehr als 4400Höfe vorsorglich gesperrt. Die mediale Berichterstattung versteifte sich darauf, dass der Skandal darin liege, dass man Fette, die eigentlich für die Industrie hergestellt wurden, inTierfutter gepanscht habe.
In der Sonntagstalkshow » Anne Will« war man sich ebenfalls schnell einig: Schuld sei die Massentierhaltung, mit Bio wäre das nicht passiert.Tierhaltungsexperten wie derTheologe und Fernsehjournalist Peter Hahne wollten eine Mahlzeit mit Rührei, Schinken und Schnittlauch nicht anrühren: » Ich ekle mich einfach davor. « Außerdem bereicherte er die Diskussion mit dem Kommentar: » Alles ist heutzutage gläsern, bis auf die Massentierhaltung. « Hat Peter Hahne jemals einem solchen Betrieb einen Besuch abgestattet?Wahrscheinlich nicht, er würde sich wundern über den heutigen hohen Standard. Kurz, man produzierte wieder mal zur besten Sendezeit hemmungslos Bullshit.
In die gleiche Kerbe zielten auch Pressemeldungen von Greenpeace, die angesichts des Dioxinskandals forderten, Bioprodukte zu kaufen. Ökobetriebe seien nicht von diesem Skandal betroffen. Außerdem behauptete Greenpeace, Dioxin befände sich aktuell nur in Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Die Politik versuchte entsprechend, denVolkszorn zu besänftigen, indem Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ankündigte, die Futtermittelkontrollen zu verschärfen. Das wiederum bezeichnete Foodwatch-ChefThilo Bode als lächerliches Ausweichmanöver. Der grüne Fraktionschef JürgenTrittin forderte, Ilse Aigner zu entlassen: » Eine Ministerin, die das bestehende strukturelle Problem der deutschen Landwirtschaft nicht erkennt, sondern den Dioxinskandal auf das kriminelle Handeln Einzelner reduziert, ist fehl am Platz. «
Die tatsächlichen Zusammenhänge erklärt Professor Gerd Kaupp, ein Chemiker von der Universität Oldenburg, folgendermaßen: Dioxin ist ein starkes Gift, welches besonders beiVerbrennungsprozessen entsteht. Insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren wurde es massenhaft und ungefiltert aus den Schornsteinen der Industrie und der Müllverbrennungsanlagen ausgestoßen und setzte sich verteilt auf dem Boden ab. Ebenso betroffen sind Gegenden, in denen traditionell mitTorf geheizt wurde. Dadurch hat sich Dioxin über die Luft überall in den Böden verbreitet. Dieses Dioxin wird leider nicht abgebaut, sondern bleibt als Gift erhalten und wird über dasTierfutter auf dieTiere übertragen, die es dann wieder ausscheiden. ÜberTierdünger kommt das Dioxin dann wieder in den Boden zurück und bleibt in einem stetigen Umlauf, allerdings nicht in einer besorgniserregenden Konzentration. Als Folge dessen findet sich Dioxin vor allem in tierischen und pflanzlichen Bioprodukten, weil diese überwiegend unter Freilandbedingungen hergestellt werden. Die Aussage von Greenpeace, die Bioproduktion sei nicht betroffen, halte ich demnach für eine vorsätzliche Fehlinformation.
Die Dioxinmengen, die von Futterpflanzen aus den Böden aufgenommen werden, sind noch ungefährlich. Gefährlich für uns Menschen wird es dann, wenn aus Pflanzen Biodiesel durch Destillation gewonnen wird. Dann reichert sich Dioxin stark konzentriert in den Rückständen an. Gleichzeitig böte diese Anreicherung aber auch die Chance, das Dioxin endlich dem Kreislauf zu entziehen. Doch die Entsorgung dieses hochgiftigen Destillationsrückstands ist teuer, und hier wird es dann kriminell: Die Rückstände werden den Fetten für Industrie und Futtermittel wieder zugemischt, legal bis zum gesetzlichen Dioxingrenzwert, und illegal darüber. Der Skandal war, dass man sich die teure Entsorgung des hochangereicherten Dioxins aus dem Abfall der Biodieselherstellung sparen wollte. Dabei spielt es keine Rolle, obTierfutter oder Industrieprodukte verseucht werden, beides ist kriminell. Dennoch: In diesem Fall war das Überschreiten der Grenzwerte zwar eindeutig illegal, dieWerte lagen aber immer noch nicht in einem Bereich, der eine tatsächliche Gefahr für die Gesundheit bedeutet hätte. Die Grenzwerte für Fischverzehr liegen übrigens über diesenWerten.
Nun hat Professor Kaupp im Jahr 2002 einVerfahren entwickelt, bei dem dieses gefährlich angereicherte Dioxin vollständig abgebaut werden kann. Die erforderlichen Investitionskosten pro
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