Schmidts Bewährung
Arthur-Murray-Tanzlehrerin im Teenageralter täglich Tango und Paso doble geübt hatten. Vielleicht hatte Mr. Mansour sogar einen Deckel auf den flachen Teil des Pools legen lassen, um die zweischläfrige rosa Jacuzzi-Wanne unsichtbar zu machen. Darin hatte das spindeldürre Ehepaar, manchmal in Gesellschaft anderer Achtzigjähriger, nackt im Wasser geruht und die strahlend glücklichen Gesichter der Morgensonne entgegengehoben. Die revolutionäre Veränderung im gesamten Ambiente mußte, so meinte Schmidt, in Augenschein genommen und bewundert werden.
Sollte er Carrie stupsen und aufwecken? Er entschied sich dagegen. Statt dessen schob er seine Hand vorsichtig unter die Bettdecke, strich ihr über die Brust, tastete nach ihrer Achselhöhle, die feucht vom Schlaf war, ließ die Hand dort ruhen, rieb seine Nase an dem schwarzen Lockenschwall auf dem Kopfkissen und stieg leise aus dem Bett. Schade. Gerade jetzt fühlte er sich imstande, ohne die Hilfe, die Carrie ihm bereitwillig gab, auch wenn sie schon vor Ungeduld stöhnte. Versagen beim Schlafengehen, Ausgleich am Morgen danach: Die Symmetrie dessen und auch der Gedanke, daß sie, falls er sie weckte, die zufriedenstellende Situation eher seiner Blase als seiner Libido zuschriebe, entmutigten ihn. Er schlüpfte in Hemd und Hose, wartete aber mit dem Anziehen der Schuhe, bis er an der Treppe war, preßte vier Apfelsinen aus, damit Carrie ihr Glas Saft gleich trinken konnte, falls sie herunterkam, bevor er wieder da war, trank selbst nichts, weil er lieber bis zum gemeinsamen Frühstück warten wollte, fuhr dann zur Post und anschließend zum Kiosk, wo erjeden Morgen seit jener Zeit, als die arme Mary und er Bridgehampton für sich entdeckt hatten, die New York Times holte. Eins blieb noch zu tun: Croissants kaufen, eine wichtige Veränderung in Schmidts Routine. Bis Carrie zu Beginn seiner langen Genesungszeit entschieden hatte, frisch gebackene Croissants der Bäckerei Sesame, in der ihre Freundin und ehemalige Kollegin bei O’Henry’s seit kurzem arbeitete, würden seine Moral heben, obwohl sie unverschämt teuer waren, hatte er zum Frühstück immer nur ein halbes, dünn mit bitterer Orangenmarmelade bestrichenes Muffin gegessen. Die andere Hälfte hob er für den nächsten Tag auf. Ganz fraglos war die neue Frühstücksordnung eine erhebliche gastronomische Verbesserung, die zur Gewohnheit werden konnte. Aus dieser Veränderung hatten sich auch häufige Zufallsbegegnungen mit Gil Blackman ergeben; Gil kaufte bei Sesame frische Scones, ohne die er am Morgen nicht sein konnte. Darüber hinaus war Schmidt nun täglich Zeuge eines Schauspiels, das in seinen Augen perfektes Material für einen der harten oder auch, wie manche Leute sagen würden, ätzenden Filme bot, die Gil drehte.
Wäre Schmidt wagemutiger gewesen, hätte er Gil ein Treatment präsentiert: Es ist ein paar Minuten vor neun Uhr. Die Mercedes Kombis, Range Rover, BMWs und Jaguare sind auf dem Kies vor Sesames verschlossener Ladentür versammelt. Männer mit Zweitagesbärten küssen Frauen, die, wie es aussieht, Baumwollnachthemden und Strandschlappen tragen. Diese Frauen kommen gerade aus dem Bett, das kann man riechen, sie sind hierher gestürzt, ohne sich vorher die Zähne zu putzen. Auch ein Toyota steht da, er paßt nicht ins Bild. Der Kerl darin könnte genausogut unsichtbar sein. Er küßt niemanden, und keiner grüßt ihn. Er hat zwar an der Seite geparkt, steht aber den andern im Weg, also bekommt er böseBlicke. Unmerklich bildet sich eine Warteschlange. Punkt neun Uhr geht die Tür auf. Jetzt ganz ruhig bleiben. Wehe, du machst den Eindruck, du wolltest dich vordrängen. Dieser Mob würde dir jedes Glied einzeln ausreißen. Sie meinen es ernst. Jetzt sind nicht mehr alle Frauen im Nachthemd: Inzwischen haben sich andere dazugesellt, in Reitkleidung, ohne Brüste und mit chlorgebleichten oder chlordurchweichten Haaren; Frauen in Jogginganzügen, die so schweißgetränkt sind, daß sie wohl tatsächlich gelaufen sind; Tennisweiß tragende, fette Männer mit dicken Brüsten und Bifokalbrillen in Hornfassung, die es vielleicht gerade noch zum Tennisplatz schaffen, vielleicht aber auch nicht. Kleine Mädchen, herausgeputzt wie Mini-Schlampen, mit abgeplatztem Lack auf Finger- und Fußnägeln, verlangen quengelnd Bagels. Tomaten: zwei davon kosten so viel wie acht gleich große am Obststand hundert Meter weiter; kleine Plastikbehälter zu fünf Dollar enthalten einen Schuß Öl und Essig und
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