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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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war eine neue, zuweilen erschreckende Empfindung. Stalin seinerseits hatte jede Kontaktaufnahme verboten, bis sie wieder nach Italien zurückgekehrt war. Das Verbot hatte sie anfangs irritiert, es hatte sich im Laufe der Zeit jedoch als Segen erwiesen. Sie wollte nicht mit Stalin über den Sturm reden, sondern mit Scialoja. Und jetzt, wo er zurückgekehrt war, wo er ihr auf der Fifth Avenue entgegenkam, mit dem eleganten Mantel und den etwas zerzausten Haaren, hätte sie ihm am liebsten gesagt, wie sehr sie sich freute ihn wiederzusehen. Dass New York sich hervorragend dazu eignete, von vorne anzufangen. Aber der Kuss, den sie sich gaben, war kühl, viel zu kühl – wie der Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang. Scialoja war bedrückt, eine Nervosität hatte von ihm Besitz ergriffen, die nicht einmal ihre Nähe zu besänftigen vermochte.
    – Morgen fahren wir nach Maine, Patrizia.
    – Nach Maine? Und was gibt es in Maine?
    – Eine Menge. Wale zum Beispiel.
    – Seit wann interessieren dich Wale?
    Die Wale waren ihm ehrlich gesagt herzlich egal. Aber in Maine lebte ein Typ, ein gewisser Billy Goat, der ihm vielleicht die Fragen beantworten konnte, wegen der er nach Amerika gekommen war. Patrizia warf ihm einen enttäuschten Blick zu und vertiefte sich in die Auslage einer italienischen Boutique.
    Scialoja nutzte die Gelegenheit, sich eine Zigarre anzuzünden. Seit einiger Zeit rauchte er wieder. In Amerika war das ein Problem. Die Amerikaner wurden Rauchern gegenüber immer intoleranter. Wie vielen anderen Dingen.
    Eigentlich hätte er auch sehr gut allein nach Maine fahren können. Und Patrizia hätte es nichts ausgemacht, noch eine Weile am Ufer des Hudson zu bleiben. Aber die Einsamkeit reichte ihm. In Washington hatte er es kaum mehr ausgehalten.
    Man hatte ihn von einem Büro ins nächste geschickt, eine Bande eiskalter Hurensöhne, die alles abstritt und sich nach außen hin entsetzt zeigte, hatte ihn mit einem Respekt behandelt, der beinahe beleidigend wirkte. Wir wollen Italien destabilisieren?
Come on, Mr. Scialoja, come on!
Unsere lieben italienischen Freunde! Unsere teuren Verbündeten! Nicht einmal Libanese und seine Spießgesellen hatten derart gut gelogen und geleugnet.
    Es stank höllisch nach Betrug. Die Dementis beleidigten seine Intelligenz. Aber Scialoja konnte die Mauer des Schweigens nicht durchbrechen, es nützte nicht einmal, sich vor Vecchios Vertrauten in den Staub zu werfen. Er fragte sich, ob auch Vecchio, der immer wieder zu „Beratungen“ nach Washington geflogen war, das Gefühl gehabt hatte, wie ein völlig unbedeutender Vasall behandelt zu werden. Vielleicht, sagte er sich mit einem Anflug bitterer Genugtuung, war Vecchio nicht nach Washington gefahren. Er war nach Washington
gerufen
worden.
    So war es also. Er wollte schon die weiße Fahne hissen, als ihm Freddy M., ein junger, schwuler Sicherheitsberater, seine Hand aufs Knie legte und ihm tief in die Augen blickte, nachdem er den fünften oder sechsten Martini gekippt und ihn über die Homosexuellenbewegung in Italien ausgefragt hatte.
    – Du solltest dich mit Billy Goat unterhalten. Er ist der Einzige, der dir helfen kann.
    Scialoja hatte höflich die Hand weggeschoben, was der andere mit einem sanften und enttäuschten Lächeln quittierte, und ihn gebeten, ein Treffen zu organisieren.
    – Das wird dich eine schöne Stange Geld kosten, hatte Freddy klargestellt.
    – Organisier ein Treffen.
    Am Morgen darauf hatte er Camporesi den Auftrag gegeben, eine gewisse Summe auf ein Konto einer Bank auf Guernsey zu überweisen. Sein Assistent hatte aufgeschrien.
    – Aber das sind zweihunderttausend Dollar!
    – Na und? Nehmen Sie sie aus dem Reptilienfonds und gehen Sie mir nicht auf die Nerven!
    – Und wenn es ein Reinfall ist?
    – Camporesi, Sie haben eine schlechte Angewohnheit angenommen: Sie reden zu viel. Führen Sie die Sache aus und Punkt!
    Ja, es konnte auch ein Reinfall sein. Auf den Disketten, die er mitgenommen hatte, einem kleinen Teil von Vecchios Archiv, die den Verweis „Siehe unter Amerika“ trugen, schien dieser Billy Goat nicht auf. War es möglich, dass Vecchio ein derart qualifizierter Kontakt entgangen war? Aber selbst wenn es ein Reinfall war … er musste es herausfinden. Und dieser Typ, der sich in Freddy M.s Diktion „nach einem bewegten Leben in der Öffentlichkeit“ ins Privatleben nach Maine zurückgezogen hatte, war sein einziger und letzter Zugang zum „amerikanischen Projekt“.
    Patrizia kam mit

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