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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Sie hatte ihren Laptop hochgefahren und alles übers Klonen gegoogelt, war in unzähligen Foren über Paranormalität unterwegs gewesen und hatte ebenso viele private Blogs gescannt, um einen Bericht von jemandem zu
lesen, der Ähnliches erlebt hatte wie sie. Sie konnte doch nicht die Einzige sein. Aber sie fand nichts, was auch nur in die Richtung dessen ging, was sie suchte.
    Sie hatte sich an den Esstisch gesetzt und nachgedacht. Alle möglichen Szenarien war sie durchgegangen, aber am Ende blieb nur eine Lösung, wenn sie ihre Beziehung mit Jens retten wollte. Sie musste handeln, und sie musste es schnell tun. Und gleichzeitig musste sie den Beweis besorgen, dass ihre unglaubliche Geschichte wahr war.
     
    Nina hatte begonnen, einen Plan zu schmieden.
     
    Es war ein kalter grauer Freitag, kurz vor zehn Uhr morgens. Der Himmel hing voller niedriger bläulicher Wolken und sah schon wieder nach Schnee aus. Der Radiomoderator spielte »Jingle Bells« und schraubte die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten auf 80 Prozent hoch. Die Anrufer in der Sendung freuten sich sehr darüber, und Nina fragte sich, ob sie sich jemals wieder über etwas so Banales freuen können würde wie über Schnee an Weihnachten.
    Sie wollte sich nur noch persönlich im Büro krankmelden, und dann würde sie ihren Klon finden. Die Falle war vorbereitet - ein Zettel an Jens’ Wohnungstür, von außen gut lesbar, der ihn zu einem Treffen in der Mittagspause aufforderte. Sicher würde Ninas Klon sich die Gelegenheit, ihr zuvorzukommen, nicht entgehen lassen.
     
    Sie fuhr mit dem Aufzug ins Büro hinauf. Als sich mit einem leisen »Ping« die Türen öffneten und Nina gerade ins Foyer der Agentur treten wollte, sah sie eine Frau am Empfang stehen, die ihr auf grausame Weise vertraut war. Der
blonde Pferdeschwanz, die schmalen Schultern und die Art, wie sie den rechten Fuß beim Stehen hinter dem linken kreuzte, das alles hatte sie nie auf diese Weise von hinten gesehen und wusste doch sofort, dass sie es war.
    »Kein Problem, Nina«, sagte die Rezeptionistin zu der Frau am Empfangstresen, »ehrlich gesagt siehst du auch nicht gut aus. Der ganze Weihnachtsstress … Leg dich ins Bett und kurier dich aus, vielleicht bist du ja am Montag wieder fit, und dann geht’s in den Feiertagsendspurt!«
    »Danke, Tanja«, hörte Nina ihre eigene Stimme sagen und sah, wie eine schmale Hand mit kurzen Fingernägeln eine Strähne blonden Haares hinter das rechte Ohr schob. Als die Frau sich umdrehte, sprang Nina mit einem Satz nach links und quetschte sich an die Seite der Aufzugkabine, während sie panisch den Türschließknopf betätigte. Geräuschlos glitten die Türen zu. Klack, klack, klack, hörte Nina ihre Absätze auf dem Parkett. »Fahr los, fahr doch los!«, zischte sie dem Aufzug zu und drückte den Knopf »E« immer und immer wieder. In dem Moment, in dem das Klacken der Absätze verstummte und die Hand der anderen Nina im Foyer sich nach dem Rufknopf ausstreckte, setzte sich der Aufzug leise in Bewegung und fuhr nach unten. Nina lehnte sich gegen die Wand und versuchte, nicht zu hyperventilieren. Das war knapp gewesen. Als der Aufzug im Erdgeschoss hielt, wankte sie mit weichen Knien hinaus. Auf der Straße wollte sie gerade wie gewohnt rechts um die Ecke biegen, überlegte es sich aber im letzten Moment anders. Im Laufschritt hastete sie über die Straße, stapfte durch einen Haufen schmutzigen Schnees auf dem Mittelstreifen und erreichte den Bürgersteig, als sie aus dem Augenwinkel eine blonde Frau aus dem Bürogebäude treten sah. Nina ging
hinter ein paar Zeitungsständern in Deckung. Ihr Klon bog nach rechts ab, genau der Weg, den sie sonst auch immer ging. Auf der anderen Straßenseite nahm Nina die Verfolgung auf. Mit der rechten Hand tastete sie nach der kleinen Digitalkamera, die sie tief in die Manteltasche gesteckt hatte und die sie bald brauchen würde.
     
    Sie hatte es nicht eilig und spazierte kreuz und quer durch die Stadt. Schließlich waren ja auch noch zwei Stunden totzuschlagen, bis sie am Treffpunkt sein musste, um Jens dort abzufangen. Nina folgte ihr durch ganz Haidhausen, froh, dass sie nicht die Tram oder die U-Bahn benutzte, denn dort wäre die Verfolgung schwieriger gewesen. Das mittlerweile dichte Schneetreiben bot ihr Deckung, und weil die Leute die Krägen hochgeschlagen hatten und die Köpfe gesenkt hielten, fiel die Frau, die ihrem Zwilling nachlief, niemandem auf. Du musst es schaffen, sagte sie sich wieder,

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