Schrei in Flammen
kein spürbarer Unterschied. Er lag nach wie vor ruhig auf der Straße. Jim sah nur am Tacho, dass Robert weiter beschleunigte.
»Vielleicht drosselst du jetzt mal ein bisschen das Tempo, Robert. Wir wollen die Bullen doch nicht unnötig auf uns aufmerksam machen, was?«
»Entspann dich! Hinter uns ist niemand.«
Trotzdem ging Robert mit der Geschwindigkeit runter, wechselte auf die rechte Spur und fuhr die nächste Abfahrt ab. Am Ende der Kurve blieb er stehen und wartete einen Moment, um zu sehen, ob ihnen jemand folgte. Als das nicht der Fall war, bog er nach rechts ab.
»Wir fahren hier lang. Da kann ich besser sehen, wenn jemand hinter uns ist.«
Nach etwa zwei Kilometern fuhr Robert auf einen großen Rastplatz und stellte den Wagen ab. Die beiden Männer stiegen in einen Leihwagen um, den Robert dort hatte hinbringen lassen.
Sie fuhren schweigend in dem neuen Fahrzeug weiter.
»Und du hast es noch nicht bereut?«, fragte Robert mit einem Blick auf Jim.
»Was meinst du? Aufzuhören?«
»Ja. Ich versteh das nicht. Es läuft doch sehr gut für uns. Wo liegt das Problem? Du wirst dich zu Tode langweilen in Brasilien«, sagte Robert.
Søren war der einzige Geschäftspartner, der von Jims Plänen auf den Seychellen wusste. Allen anderen hatte er erzählt, er sei auf dem Weg nach Brasilien.
»Kann gut sein, aber das Wetter ist dort auf alle Fälle besser als hier.«
»Und die Weiber schärfer.«
»So ist es«, sagte Jim.
»Aber mal ehrlich, du wirst uns vermissen. Das Abenteuer. Du bist nicht der Typ, der tatenlos mit einem Drink in der Hand im Strandkorb sitzt und den Weibern an der Copadingsda hinterherglotzt, oder wie auch immer der Strand da heißt.«
»Da hast du sicher recht. Aber da unten wird sich schon das eine oder andere Geschäft für mich ergeben.«
»Gibt es nichts, was dich überzeugen könnte zu bleiben?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.«
»Nicht einmal der Norwegische Traum?«
»Doch, der Norwegische Traum vielleicht schon.« Jim lachte.
»Ha, ha, ja, das wäre doch phantastisch!«
Sie hatten oft über den Norwegischen Traum gesponnen und ihn weiterentwickelt. Der Witz bei der Sache war, die Versorgungskette auf den Kopf zu stellen. Das hörte sich nicht besonders aufregend an, wäre für die Behörden aber so unerwartet, dass sie es vermutlich gar nicht bemerken würden. Die übliche Transportrichtung der Stoffe war von Süden nach Norden, immer von Süden nach Norden. Zuerst in großen Chargen, dann in immer kleineren Teilmengen, bis sie am Ende als Einzelportionen beim Konsumenten landeten. Auf diese Richtung war auch der Kompass der Bullen eingestellt: Transport in nördlicher Richtung. Aber wenn man nun eine riesige Partie weit, weit hoch in den Norden Norwegens schmuggelte, um ihn von dort gegen den Strom der Drogen auszuliefern, raus aus dem Land mit den strengsten Kontrollen und einem der höchsten Strafrahmen Europas … Das war so etwas wie der feuchte Traum jedes einigermaßen cleveren Schmugglers. Wenn man das schaffte, war man Kalif. Kalif über alle Kalifen. Dann würden einen die Kolumbianer auf einem goldenen Thron durch Amsterdam tragen.
Der Norwegische Traum hatte nur eine Voraussetzung, die sie bislang noch nicht erfüllen konnten: einen norwegischen Schiffsreeder oder Werftseigner, der sich langweilte und Lust hatte auf die Abenteuer, Partys und absurden Mengen Koks und Nutten, die sie ihm bieten konnten. Leider kannte niemand in ihrem großen Netzwerk einen solchen Mann. Die norwegische Schifffahrt war mindestens so uneinnehmbar wie Fort Knox, weshalb der Norwegische Traum noch immer auf Eis lag.
»Einigen wir uns darauf, dass wir voneinander hören lassen, sobald einer von uns plötzlich auf den richtigen Norweger stößt.«
»Aber selbstverständlich«, sagte Robert und schaute verträumt aus dem Fenster. »Ich bin dabei. Das würde uns so reich machen, dass wir im Bargeld schwimmen könnten. Bargeld ist das einzig Wahre. Wie Antilopen für Löwen.«
*
»Ich bin gespannt, was du sagst«, sagte Robert van Bommel zu Jim Hellberg und öffnete die Tür zu einer großen Fabrikhalle.
Sie waren durch ein Industrieviertel am Rand von Amsterdam gefahren und hatten auf der Rückseite des Gebäudes geparkt.
Jetzt betraten sie eine Halle, die wie eine ganz gewöhnliche Autowerkstatt aussah. Am Ende der Halle war eine Tür mit Codeschloss. Robert gab den Code ein. Eine Treppe führte hinunter in eine Kelleretage, und als sie unten ankamen, lag vor ihnen ein
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