Schrei in Flammen
Schweiß auf die Stirn trat. »Fucking hell! Die haben nichts gegen dich in der Hand! Entspann dich, verdammt, Mann! Was ist denn los mit dir?«, redete er auf sich ein, was nur kurzfristig half. Jim schaltete das Radio ein und drehte die Musik laut. Das beruhigte.
Als er bei Padborg über die Grenze nach Dänemark fuhr, lag der Citroën noch immer ein paar hundert Meter hinter ihm. Soweit er sehen konnte, befand sich nur eine Person in dem Wagen. Als kurz darauf ein Rastplatz kam, setzte Jim den Blinker und fuhr ab. Er hielt an einer Zapfsäule, um zu tanken. Als er aus dem Auto stieg, rollte der Citroën vorbei und parkte ein Stück entfernt. Jim riss einen Streifen Papier ab und notierte sich mit einem Kugelschreiber das dänische Kennzeichen des Wagens. Der Zoll operierte in einem ziemlich großen Radius auf beiden Seiten der Grenze. »Hinterlandpatrouille« wurde dieses Vorgehen genannt. Er wusste aus Erfahrung, dass diese Patrouillen auch schon mal Pkws oder Lastwagen weit oben in Jütland kontrollierten.
Er tankte und versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Jeder in der Branche kannte die beständige Paranoia. Sie war unausweichlich, doch um nicht komplett die Nerven zu verlieren, musste man wissen, wie man seine inneren Dämonen bekämpfen konnte. Sie hatten nichts gegen ihn in der Hand. Sollten sie ihn doch anhalten! Sie würden nichts finden. Nada!
Minuten später fuhr Jim wieder auf die Autobahn. Er schaute regelmäßig in den Rückspiegel, aber das Auto war weg.
In seinem Kopf begann es zu mahlen, dass ihn womöglich eine Zivilstreife an der Mautstation der Brücke über den Großen Belt erwartete, aber dem war nicht so. Jim bezahlte bar und wurde durchgewinkt. Kein neues Fahrzeug hängte sich an seine Fersen.
Auf der gesamten Fahrt durch Seeland hielt er sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung und wanderte mit den Gedanken in das Segelresort. Er hatte seinen letzten Winter in Dänemark verbracht, so viel war sicher. Es gelang ihm, sich in die Vision seines zukünftigen Lebens zu flüchten, statt sich in den Teufelskreis der Angst hineinziehen zu lassen, und als er die nördliche Stadtgrenze von Kopenhagen erreichte, war er richtig guter Stimmung. Rein mental eine Meisterleistung. Die mentale Stärke war entscheidend, denn das Allermeiste spielte sich in einem selbst ab. Die Fahrt nach Amsterdam war überaus erfolgreich gewesen. Und die Nacht würde er nicht so schnell vergessen! Außerdem erfüllte ihn die Aussicht, bald alle Projekte in Dänemark abschließen zu können, mit Optimismus.
Desto größer war die Irritation, als Jim in Espergærede, wo er von der Autobahn abgefahren war, um die Landstraße nach Ålsgårde zu nehmen, feststellte, dass er sich offenbar einen neuen Schatten eingefangen hatte. Als er aus Gurre herausfuhr, hing diesmal ein weißer Opel Vectra knappe fünfhundert Meter hinter ihm. Der Wagen war ihm schon beim Überholen auf der Autobahn aufgefallen, wenn er ihm zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht verdächtig vorgekommen war.
Jim überlegte kurz, einfach an den Straßenrand zu fahren, kam aber zu dem Schluss, dass seine Verfolger sicher wussten, wo er wohnte, wenn das eine Zivilstreife war. In Ålsgårde bog er links in den Nordre Strandvej ab. Der Opel Vectra fuhr rechts. Als er auf seine Auffahrt fuhr und anhielt, um die Garage zu öffnen, kam die Angst zurück wie ein Blitz. Vor seinem inneren Auge sah er zwei Beamte in der Garage stehen, die nur darauf warteten, ihn in Empfang zu nehmen.
Das Garagentor glitt auf.
Er atmete erleichtert auf.
Da stand niemand und wartete auf ihn. Jim fuhr den Wagen in die Garage und schloss das Tor.
Er blieb noch einen Moment sitzen. Fasste hart um das Lenkrad und wiederholte im Stillen: Bald ist es überstanden. Bald ist es überstanden.
*
Das Fest im Clubhaus der Devils war in vollem Gang. Jesper Egelund war schockiert und beeindruckt zugleich. Das Clubhaus war ein altes dreistöckiges Gebäude – ein riesiger Kasten, den die Devils umgebaut und modernisiert hatten. Es lag am Rand des Industriegebietes in Amager. Auf der Nordseite des Clubhauses gab es noch ein paar andere Häuser, aber die waren durch einen meterhohen Plankenzaun abgeschirmt.
Als Jesper zu dem Fest kam, hatte er das Gefühl, in einen besetzten Stadtteil geraten zu sein. Die Polizei hatte einen eisernen Ring um das Viertel geschlossen, und alle Gäste, die zu dem Fest wollten, mussten sich registrieren lassen. Jesper hatte sich die stichelnden Kommentare einer
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