Schrei in Flammen
heraus.
»Hier ist Christian!«, sagte er und hörte selbst, wie aufgeregt er klang.
»Ruhig, Mann, ruhig«, sagte Jim. »Was ist los?«
*
Katrine und Jens hatten sich von Christian Letoft verabschiedet, saßen aber noch in Jens’ Auto vor Letofts Grundstück. Gleich würde jeder von ihnen zu sich nach Hause fahren.
»Was sagt der Lügendetektor?«
»Er stand ziemlich unter Strom, schon bevor wir da waren.«
»Ja, er wirkte ganz schön gestresst.«
»Und irgendwie schien er überrascht zu sein, dass wir mit ihm über Maja reden wollten«, sagte Katrine. »Als hätte er etwas anderes erwartet. Vielleicht irgendwas mit der Firma?«
»Ich habe ihm seine Überraschung über ihren Tod nicht wirklich abgenommen«, sagte Jens und blickte zu dem Haus.
»Geht mir auch so.«
»Aber wenn er es bereits wusste …«
»Dann hat er entweder etwas mit ihrem Tod zu tun oder einfach nur Hoffnung geschöpft, dass er nun seiner Familie nicht mehr von ihr erzählen muss.«
»Ganz schön zynisch.«
»Die Frage ist doch, ob sie ihm überhaupt von ihrer Arbeit als Prostituierte erzählt hat? Sie wollte schließlich aussteigen … vielleicht wollte sie da nur noch nach vorne schauen.«
»Okay«, sagte Jens. »Nehmen wir mal an, dass er es nicht wusste … warum dann die massiven Vorbehalte, sie seiner Familie vorzustellen?«
»Vielleicht, weil sie ihn an ihren gemeinsamen Vater erinnerte, so sehr, dass er ihre Nähe nicht ertragen konnte«, schlug Katrine vor.
»Vielleicht hat er auch geahnt, in welcher Branche sie tätig war?«
Katrine dachte an das Foto von Maja und ihre Garderobe und schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht den Eindruck, dass sie billig aussah oder so … du weißt schon, was ich meine?«
Jens nickte. »Das muss eine Riesenenttäuschung für sie gewesen sein«, überlegte er laut. »Da ist sie mutterseelenallein auf der Welt und hat plötzlich einen Bruder, aber der weiß nicht, ob er sie überhaupt kennen möchte. Wie hat sie wohl darauf reagiert?«
»Sie muss schrecklich enttäuscht gewesen sein, so viel ist sicher. Sie hat starke Hoffnungen mit der Begegnung verknüpft, und wenn er ihr da mit Vorbehalten begegnet ist oder sie abgewiesen hat, wird sie sicher wütend geworden sein, bestimmt traurig oder verletzt. Bei manchen Menschen schlägt das in Wut um, weil mit Wut einfacher umzugehen ist und sie nicht so wehtut.«
»Vielleicht hat er geglaubt, sie wolle nur schmarotzen?«
»Und ihr Geld gegeben, damit sie ihn in Ruhe lässt?«
Sie sahen sich an.
»Dann kommt das Geld von ihm?«, fragte Jens.
»Das Blöde ist, dass nur er allein das beantworten kann«, sagte Katrine mit einem Blick zum Haus.
»Ja«, sagte Jens. »So, und jetzt muss ich nach Hause und meiner Kleinen was zu essen kochen.«
»Natürlich.«
Sie sahen sich wieder an und küssten sich. Er legte eine Hand um ihren Nacken und strich ihr über die Wange. Er hatte schon wieder Lust auf sie. »Wann treffen wir uns wieder?«, fragte er leise.
»Hm, bald?«
»Bald.«
Sie stieg aus, setzte sich in ihren Wagen und fuhr nach Hause.
Christian Letoft ging Katrine die ganze Strecke nicht aus dem Kopf. Zu gern hätte sie gewusst, wie die Treffen zwischen den Geschwistern verlaufen waren. Wie war die Stimmung zwischen ihnen? Hatten sie sich gemocht? Sich selbst im anderen wiedererkannt? Wie hatten sie über ihren Vater gesprochen? Wie hatte Maja Christian als Menschen erlebt? Hatte sie überhaupt das Bedürfnis gehabt, ihn in ihr zukünftiges Leben zu integrieren?
Er hatte auf sie etwas … glatt gewirkt, aber auch irgendwie charmant, dachte sie und versuchte schnell, sich alle Stereotype, die sie von Autohändlern hatte, aus dem Kopf zu schlagen und sich auf den Menschen zu konzentrieren, den sie eben getroffen hatte. Von außen betrachtet und oberflächlich bewertet, lebte er ein bisschen ein Leben wie in einem Schaukasten. Wem wollte er etwas beweisen? Vermutlich seinem Adoptivvater, dachte sie. Und seinem biologischen Vater, natürlich. Unbewusst. Er hatte etwas Reizbares, Nervöses, Unstetes ausgestrahlt, noch ehe er erfahren hatte, warum sie gekommen waren. Wieso? Hatte er sie angelogen? Wusste er bereits, dass Maja tot war? Hatte er sie selber …? Aber aus welchem Grund?
Jeder Mensch kann zum Mörder werden, dachte sie. Wenn Gemütszustand, Konfliktsituation, Vorgeschichte, Gelegenheit, Ort und nicht zuletzt das Gegenüber ungünstig aufeinandertreffen, können wir alle dort landen.
Christian Letoft hegte einen tiefen,
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