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Schrei in Flammen

Schrei in Flammen

Titel: Schrei in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Øbro , Ole Tornbjerg
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Aber das Bild blieb verschwommen, wie hinter aufsteigendem Flimmern über heißem Asphalt. Zu seiner Irritation tauchte nun ein sehr viel weniger erfreuliches Bild in seinen Gedanken auf. Sein Vater. Er hatte in den letzten paar Tagen mehrmals angerufen. Natürlich wollte er Geld. Jim war vorbeigefahren, hatte ihm zehntausend Kronen gegeben und war schnell wieder gegangen. Sein Vater lebte in einer kleinen Wohnung am Enghave Plads in Vesterbro. Die meiste Zeit verbrachte er in der Enghave Bodega, wo er Räubergeschichten aus vergangenen Zeiten zum Besten gab. Die Geschichten waren mit den Jahren nicht weniger spannend geworden. Aber es gab kaum jemanden, der sie noch nicht gehört hatte.
    Der alte Mann widerte ihn an. Er war fett geworden. Er stank. Aber er war nicht auf die Klappe gefallen. War er nie. Und es hatte Zeiten gegeben, in denen Jim seinen Vater vergöttert hatte.
    Am klarsten erinnerte er sich an die gemeinsamen Autotouren, wenn sein Vater überraschend und unangemeldet in seinem roten MG aufkreuzte, um ihn abzuholen. Im Sommer war das Verdeck zurückgeklappt, und der Wind zauste durch ihre Haare. Er spürte sie fast physisch, die Stimmung in dem Sportwagen, der über den Strandvej raste. Es war, als würde er im Auto neben seinem Vater sitzen.
    »Wollen wir unser kleines Spiel spielen?«, fragte der Vater.
    »Jaaa!«
    »Siehst du die Ampel da vorn?«
    »Ja«, antwortete Jim.
    »Gut. Jetzt ist grün, ich gehe etwas vom Gas runter, und du sagst mir Bescheid.«
    »Ja.«
    Jim behielt die Ampel im Auge. Immer noch grün. Jetzt sprang sie auf Gelb um. »Jetzt!«, schrie er, umklammerte den Türgriff und drückte sich gegen die Rückenlehne.
    Sein Vater drückte das Gaspedal durch, und das Auto schoss nach vorn. Sie wurden immer schneller und rasten auf die Ampelkreuzung zu. Rot! Jim schielte zur Seite. Von rechts kamen Autos. Die Spannung ballte sich in seinem Körper zusammen. Er schrie.
    »Wir können es schaffen!«, rief sein Vater lachend. »Jetzt!«
    Sie rauschten bei Rot über die Ampel. Sein Vater lachte hysterisch. Jim schrie immer noch, aber dann lachte er auch. Hinter ihnen hörten sie wildes Hupen. »Ha, ha, ha. Da fühlt man sich doch richtig lebendig!«
    An dieser Stelle brach die Erinnerung abrupt ab. Aber das Gefühl klang noch etwas nach. Jim lächelte im Dunkeln. Der Alte hatte große und wilde Ideen gehabt. Aber er war auch ein Phantast gewesen und hatte es nie geschafft, seine Geschäfte ordentlich auszubauen und zu halten. Jim war nicht müder, aber sein Kopf war etwas zur Ruhe gekommen.
    *
    Die
Maria
fuhr mit voller Kraft nach Nordosten durch den Ärmelkanal. Der Schiffsverkehr war in beiden Richtungen gleich dicht.
    Der Kapitän hatte sich für die Strategie entschieden, die in Bezug auf die großen Pötte am riskantesten, in Bezug auf den Zoll aber am sichersten war. Die Engländer und Franzosen hatten an Land große, besonders leistungsfähige Radaranlagen installiert, mit denen sie den Schiffsverkehr im Kanal überwachten. In der Mitte der Fahrrinne gab es allerdings einen schmalen Streifen, den der Kapitän Point Zero nannte und der vom Landradar nicht abgedeckt wurde. Denn obgleich sie alle Reflektoren abgenommen hatten, bestand ein minimales Risiko, dass das Boot als schwacher Schatten auf den sensiblen Radarschirmen erschien. Solange sie sich im Point Zero hielten, ging dieses Risiko gegen null. Das bedeutete aber auch, dass sie Schiffen verdammt nahe kamen, die so groß wie Hochhäuser waren.
    Es war Thomas’ und Marcos Job, den Steuermann über die Position der verschiedenen Schiffe zu informieren, die entweder von hinten an ihnen vorbeidröhnten oder direkt auf sie zukamen. Der Steuermann und der Kapitän korrigierten laufend den Kurs, so dass sie fast im Slalom durch den Kanal fuhren. Immer wieder gerieten sie in nervenaufreibende Situationen, zum Beispiel als zwei große Schiffe dicht aneinander vorbeifuhren und die
Maria
zwischen sich einklemmten. Aber bis hierher war alles gutgegangen.
    Da entdeckte Thomas ein kleineres Schiff, das aus nordöstlicher Richtung kommend direkt Kurs auf die
Maria
hielt. Der Abstand betrug noch ungefähr sieben-, achthundert Meter. Nach der Einweisung, die ihnen der Kapitän gegeben hatte, war er nicht eine Sekunde im Zweifel, was für ein Boot das war.
    »Kleineres Schiff direkt vor uns. Vielleicht siebenhundert Meter. Mit Kurs auf uns zu! Ich glaube, das ist der englische Zoll.«
    Marco hörte den Kapitän fluchen. Er sah sich nach allen

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