Schrei in Flammen
starrten auf die Karte. Christian Letofts Elternhaus war der perfekte Ausgangspunkt für die drei Adressen.
»Und die Daten stimmen«, sagte Katrine. »Erst hier«, sie zeigte auf den obersten Punkt. »Dann in der entgegengesetzten Richtung, und dann, der letzte, bevor sie geschnappt wurden, im Osten.«
»Du meinst also, sie hätten sich auch da noch ein Haus gesucht, wenn sie nicht verhaftet worden wären?«, fragte Jens und zeigte auf einen Punkt westlich von Letofts Elternhaus.
»Ganz sicher. Und danach wäre es irgendwo zwischen den Punkten weitergegangen. Das ist exakt wie nach Lehrbuch.«
»Aber wie kann uns das weiterhelfen?«, fragte Jens.
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Katrine. Sie druckte die Karte aus und hängte sie an ihre Tafel neben die Fotos von Jim Hellberg und Christian Letoft.
*
Jens war zu einer Besprechung mit den Technikern und Ballistikern gegangen, um Klarheit über den Verlauf der sonntäglichen Schießerei in der Rantzausgade zu bekommen.
Katrine stellte sich vor die Tafel und betrachtete die Fotos von Maja und Christian. Zwei Geschwister, die jedes auf seine Weise unter den Taten ihres Vaters gelitten hatten. Katrine überlegte, wie sie in Erfahrung bringen konnte, was zwischen Maja und ihrem Vater und was zwischen den beiden Geschwistern geschehen war.
Sollte sie versuchen, über einen Bekannten des Vaters etwas herauszubekommen? Wenn sie jemanden fand, der Jørn Solhøj gekannt hatte, erfuhr sie vielleicht neue Seiten dieser Familientragödie. Sie setzte sich an ihren Computer und suchte seinen Namen im Personenregister heraus. Er hatte in einer Wohnung in Vanløse gewohnt. Vielleicht konnte sie zu einem seiner früheren Nachbarn gehen oder es in der Kneipe nebenan probieren? Einen Versuch war es wert.
Katrine nahm ihre Tasche, ging nach unten zu ihrem Wagen und fuhr nach Vanløse.
*
Es war ein schöner Frühlingstag. Die Sonne schien von einem fast wolkenlosen Himmel, und es wehte ein frischer, südwestlicher Wind. Perfektes Segelwetter. Nicht nur die Besatzung der
Maria
schien dieser Meinung zu sein, denn wohin sie auch schauten, überall auf dem Meer waren weiße Segel zu sehen. Sie hatten die holländische Küste ohne weitere unangenehme Zwischenfälle erreicht und befanden sich nun westlich von Vlissingen.
Nachdem sie am frühen Morgen die Radarreflektoren des Bootes wieder montiert hatten, hatte sich die vierköpfige Crew der
Maria
abwechselnd ausgeruht. Der Adrenalinrausch nach der nächtlichen Fahrt durch den Ärmelkanal steckte ihnen noch in den Knochen, weshalb keiner von ihnen richtig geschlafen hatte. Schlafen konnten sie, wenn sie das Schiff an ihrem Bestimmungsort abgeliefert hatten. Der Steuermann schätzte, dass sie in ein paar Stunden die Flussmündung nördlich von Vlissingen erreicht haben würden.
Marco und Thomas saßen an Deck, mit dem Rücken an die Kajüte gelehnt. Als sie gerade dachten, das Schlimmste überstanden zu haben, bemerkte Marco ein schnell fahrendes Motorboot am nördlichen Horizont, das direkt auf die
Maria
zuhielt. Er sprang auf und lief zu Rembrandt, der am Ruder stand. »Da kommt ein Motorboot. Mit Kurs direkt auf uns!«, sagte Marco aufgeregt.
Rembrandt hielt das Fernglas an die Augen und sah sich das näher kommende Fahrzeug an. »Das ist ein Polizeiboot«, sagte er. Mit ernster Miene sah er Marco an. »Verdammt! Geh runter und weck Martijn. Sag, dass er sich schnell fertig machen und das Ruder übernehmen muss.«
Marco hastete nach unten in die Kajüte. Jetzt kam die Feuerprobe für ihre Show.
*
Katrine Wraa parkte vor Jørn Solhøjs letzter Adresse, einem gelben Mehrfamilienhaus. Sie trat an die Haustür und studierte die Klingelschilder. Solhøj hatte auf der rechten Seite im zweiten Stock gewohnt. Sein Klingelschild war leer, vielleicht war die Wohnung noch immer unbewohnt? In der anderen Wohnung im zweiten Stock wohnte ein
A. Eriksen
.
Sie klingelte.
»Ja?«, ertönte es nach kurzer Zeit durch die Gegensprechanlage.
»Guten Tag, mein Name ist Katrine Wraa, ich bin von der Polizei Kopenhagen. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen über Ihren Nachbarn Jørn Solhøj stellen.«
»Der ist tot.«
»Ja, das … das weiß ich. Könnten Sie mich bitte trotzdem reinlassen? Ich würde Sie gern ein paar Dinge fragen.«
Mit einem Summen wurde Katrine ins Haus gelassen. Die linke Tür im zweiten Stock stand einen Spaltbreit offen. Katrine sah eine Kette und die Hälfte eines faltigen Frauengesichts.
»Guten Tag«,
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