Schrei in Flammen
sagte Katrine freundlich. Aus der Wohnung kam ein kräftiger Zigarillodunst, so dass sie gar nicht erst darum bat, eintreten zu dürfen.
»Guten Tag.«
»Es geht um die Ermittlungen im Mordfall an Jørns Tochter Maja.«
»Ach.« Die Frau machte Katrine die Tür vor der Nase zu. Doch dann hörte sie, wie drinnen die Kette gelöst wurde, und gleich darauf ging die Tür wieder auf. »Wollen Sie reinkommen?«, fragte die Frau.
»Ja, gern.« Sie holte tief Luft und ging in die Wohnung. Sie folgte der Frau, die sicher Mitte achtzig war. Katrine wurde ein Platz auf einem grünen Veloursofa angewiesen. Der Frau setzte sich ihr gegenüber auf einen Sessel.
»Wir lange wohnen Sie hier schon?«
»53 Jahre.«
»Und Jørn?«
»Nicht so lange. Er war erst vor 12 Jahren eingezogen.«
»Hm. Erinnern Sie sich, wann er ins Krankenhaus gekommen ist?«
Die Frau dachte nach. »Das war im Spätsommer letzten Jahres.«
»Also vor etwa einem Dreivierteljahr?«
»Ja.«
»War er zwischendurch noch einmal zu Hause?«
»Ja, aber danach haben sie ihn dabehalten.«
»Ist er im Krankenhaus gestorben?«
»Nein, zuletzt war er in einem Hospiz.«
»Wissen Sie, wo?«
»In Roskilde.«
»Haben Sie manchmal mit Jørn gesprochen?«
»Nicht oft. Das meiste habe ich von Karl unten im ersten Stock gehört. Die haben öfters mal ein Bier zusammen getrunken.«
»Dann möchte ich mich für Ihre Hilfe bedanken und es unten bei Karl versuchen.«
Katrine verabschiedete sich, ging eine Etage nach unten und klingelte, doch in der Wohnung rührte sich nichts.
Sie verließ das Haus, setzte sich in ihr Auto und holte ihren Laptop hervor. Kurz darauf hatte sie das Hospiz in Roskilde gefunden, gab die Adresse in ihr Navi ein und fuhr los. Auf dem Weg aus der Stadt hielt sie an einer Cafeteria und holte sich einen Kaffee und ein Sandwich.
Eigentlich hatte sie ganz und gar keine Lust auf diesen Ort. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht und tunlichst vergessen, dass Väter an Krebs sterben können.
*
Max de Boer hielt sich das Fernglas vor die Augen und musterte die Segeljacht, die vor ihnen lag. Ein schönes Boot, gepflegt und teuer. Trotz der Entfernung schätzte Max das Schiff auf 50 bis 56 Fuß, sicher mit Platz für bis zu zwölf Personen. Der Wasserlage nach schien es ziemlich beladen zu sein, aber völlig im Rahmen. Er sah zwei Mann an Deck. Der Rest musste in der Kajüte sein.
Max und der Kapitän des Polizeibootes namens
Roger
beschlossen, noch diese eine unter holländischer Flagge fahrende Jacht zu kontrollieren, bevor sie Feierabend machten und Kurs auf den Hafen nahmen. Sie näherten sich der Jacht, und die Besatzung der
Roger
begann alles vorzubereiten, um längsseits anzulegen. Sie hängten die Fender über die Bordwand und machten die Taue klar.
Oben auf der Jacht überließ der Kapitän, ein großgewachsener, elegant gekleideter Mann, das Ruder einem kleineren Mann mit dunkler Haut, bloßem Oberkörper und einer Hose mit Hosenträgern. Beide Männer waren etwa Mitte 30.
Das Boot und die Männer rochen nach Geld. Der Kapitän schien die Prozedur allem Anschein nach zu kennen, denn er hatte schon seine Papiere geholt und winkte ihnen mit breitem Lächeln zu.
Max erwiderte den Gruß, stutze aber, als der Steuermann den Arm um den Kapitän legte und ihn küsste …
Das Polizeiboot legte seitlich an der Jacht an.
»Darf ich an Bord kommen?«, fragte Max.
»Ja, kommen Sie nur«, sagte der Kapitän, den Arm um die Hüfte des flirtenden Steuermanns gelegt.
Max stieg an Bord der Jacht, reichte ihm die Hand und stellte sich vor. »Sie haben schon Ihre Papiere geholt, sehe ich?«
»Bitte«, sagte der Kapitän und reichte Max die Bootspapiere, aus denen hervorging, dass das Boot in Vlissingen auf den Namen Martijn van den Broek registriert war.
»Ist das Ihr Boot?«, fragte Max.
»Ja«, antwortete der Kapitän.
»Woher kommen Sie und wo wollen Sie hin?«
»Wir haben das Boot aus einer Werft in Spanien geholt. Ich hatte im letzten Jahr Pech, weil ich auf einer Sandbank aufgelaufen bin. Das Boot hat den Winter über unten in der Nähe von Marbella in einer Werft gelegen.« Kapitän Martijn reichte ihm die Werftrechnung. »Wir sind auf dem Weg nach Dänemark. Wollen da mit Freunden ein bisschen feiern«, sagte er und bekam wieder einen Kuss auf die Wange.
Irgendetwas an diesem Kapitän irritierte Max. Er litt nicht an Homophobie, aber … Max konnte es nicht in Worte fassen. Vielleicht konnte man es als sechsten Sinn bezeichnen?
Weitere Kostenlose Bücher