Schrei in Flammen
schwer auf den Stuhl fallen. »Ernst? Wie ernst?«
»Weißt du noch, wovor ich dich kurz vor Weihnachten gewarnt habe? Wir sind jetzt bald so weit. Das Eigenkapital der Firma ist größtenteils aufgebraucht, und die Grundstücke, die dein Vater gekauft hat, sind bereits voll beliehen. Solange der Umsatz so gering wie im Moment ist, hast du kaum mehr die Möglichkeit, dir selbst ein Gehalt abzubuchen.«
Christian spürte, wie das Blut aus seinem Kopf nach unten sackte. Er stand neben sich, und die Gegenstände in seinem Büro und die Autos hinter der Glaswand schienen sich mehr und mehr von ihm fortzubewegen. Geschah das alles wirklich?
»Aber in der letzten Woche habe ich zwei Autos verkauft«, gab er zu bedenken. »Es geht wieder aufwärts, Axel.«
»Ich fürchte, dafür braucht es schon einiges mehr. Ich muss dich dringend warnen, Christian. Wenn nicht sehr bald – und mit sehr bald meine ich im Laufe des nächsten Monats oder vielleicht der nächsten sechs Wochen – deutlich Fahrt in den Verkauf kommt, wirst du gezwungen sein, eine sehr, sehr unangenehme Entscheidung zu treffen.«
»Von was für einer Entscheidung sprichst du?«
»Entweder musst du die Firma verkaufen und dir einen gutbezahlten Job suchen, oder ihr müsst euer Haus aufgeben und euch etwas Günstigeres suchen. Sonst könnt ihr irgendwann die nächste Rate nicht mehr zahlen. So, wie es im Moment aussieht, kannst du aus der Firma kein Geld mehr ziehen.«
Das Geschäft verkaufen? Oder das Haus? Was bildete dieser Idiot sich ein? Es kam überhaupt nicht in Frage, das Geschäft zu verkaufen. Sein Vater würde ihm den Kopf abreißen oder vor Enttäuschung sterben. Und das Haus verkaufen und damit in alle Welt hinausposaunen, dass er es nicht geschafft hatte, eine gutlaufende Firma durch ein paar schwere Jahre zu steuern? Was für ein Riesenfiasko! Nein, auch diese Möglichkeit existierte nicht wirklich.
»Hör mal, Axel, das geht so nicht, wir müssen eine andere Lösung finden. Kann ich nicht noch einen Kredit aufnehmen? Es geht allenfalls noch um Monate, das weiß ich ganz genau.«
»Mit dieser Möglichkeit solltest du nicht rechnen. Die Banken stehen wegen der Krise allesamt unter Druck und haben ihre Kreditrichtlinien geändert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du in der jetzigen Situation kein Geld bekommst.«
»Axel, ich kann keinen der beiden Vorschläge akzeptieren, ich finde eine Lösung, ich weiß, dass es bald wieder aufwärtsgeht. Vertrau mir, in einem Monat sieht das Ganze schon wieder besser aus.«
»Das hoffe ich von ganzem Herzen, Christian, aber es ist trotzdem meine Pflicht, dir die Wahrheit zu sagen.«
»Das weiß ich auch zu schätzen, Axel. Ich danke dir, aber wie gesagt, mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder.«
Christian legte auf. Er starrte das Telefon an und dachte wie in Kindertagen, wie phantastisch es doch wäre, wenn etwas verschwinden würde, wenn man es nur lange genug anstarrte. Dann schob er die kindliche Phantasie von sich und dachte an ein Gespräch, das er kurz vor Weihnachten mit Axel geführt hatte. Damals hatte er zum ersten Mal erkannt, dass seine Existenz auf ganz schön wackligen Beinen stand. Doch irgendwie war es ihm gelungen, den Ernst in der Warnung des Revisors zu verdrängen und in Gedanken kleinzuzoomen.
Jetzt war es so, als würde ebendieser Ernst zu vierfacher Größe aufgeblasen, damit auch jeder es mitbekam: CHRISTIAN LETOFT BANKROTT .
So weit durfte es nicht kommen, niemals! Es musste bergauf gehen. Ab sofort. Er musste nachdenken, eine Lösung finden.
Dabei wusste er tief in seinem Inneren schon lange, wie die Lösung aussah. Andere Möglichkeiten gab es nicht, und es war höchste Zeit, den Selbstbetrug endlich aufzugeben.
*
Asger Dahl stand das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben. Seine Vergehen quälten ihn. Nur gut, dass Onkel Bistrup ihm die Chance gab, sich alles von der Seele zu reden.
Torsten schob einen Fernseher in den Verhörraum, in dem Dahl und sein Anwalt bereits warteten. Er gab ihnen beiden die Hand, setzte sich und sah Dahl so verständnisvoll und entgegenkommend wie nur möglich an.
»Asger, die Techniker haben uns ihre Ergebnisse geliefert.«
Dahl sah Torsten abwartend an.
»Ich möchte Ihnen von ganzem Herzen raten, Ihre Aussage noch einmal gründlich zu überdenken.«
»Dafür gibt es keinen Grund«, sagte Dahl und blickte entschieden abweisend drein.
»Wir schauen uns jetzt erst einmal gemeinsam die Aufnahmen an, dann reden wir weiter.«
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