Schrei in Flammen
Torsten Bistrup stand auf und startete den Film, auf dem die Bilder aus der Rømersgade und die rekonstruierte Situation parallel zu sehen waren. Die Aufnahmen sprachen für sich. Er beobachtete Dahl, aber sein Gesichtsausdruck verriet nichts.
Torsten schaltete den Fernseher aus und setzte sich. Er sah Dahl an, der allem Anschein nach noch immer leugnen wollte, dass die Bilder ihn zeigten. »Was ist passiert, Asger«, fragte Bistrup. »Warum sie?«
»Jetzt hören Sie mir mal genau zu«, sagte Dahl und beugte sich über den Tisch vor. »Ich rede nicht mehr mit Ihnen.«
*
»Um was geht es hier eigentlich, Mann?«
Marco rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. Jens hatte ihn gebeten, sich zu setzen, nachdem er von zwei Beamten in der Lundtoftegade abgeholt und ins Präsidium gefahren worden war, wo er jetzt im Verhörraum saß.
Jens drehte seinen Stuhl so, dass er Marco direkt gegenübersaß. Sie wussten, dass er Maja nur vier Tage vor ihrer Ermordung bedroht hatte. Das Problem war aber, dass Ditte sich noch immer nicht traute, den Überfall und die Messerattacke anzuzeigen. Und ohne eine Anzeige und eine Aussage vor Gericht konnten sie keine Anklage erheben.
Jens hatte alle Informationen gesammelt, die im Präsidium über Marco Gomez vorlagen. Der junge Mann hatte keine leichte Jugend hinter sich. Nach einer Reihe gewalttätiger Auseinandersetzungen in seiner Wohngegend in Nørrebro war er als 15-Jähriger der Aufsicht von Streetworkern unterstellt worden, mit 16 war er nach einer Messerstecherei im Jugendknast gelandet, mit 17 hatte er die Schule geschmissen, in der man ihn untergebracht hatte, um ihn wieder ins richtige Fahrwasser zu bringen, und mit 20 war er nach einem brutalen Überfall auf einen Gleichaltrigen mit palästinensischem Hintergrund zum ersten Mal im richtigen Strafvollzug gelandet. Als er festgenommen wurde, war er im Besitz von 15 Gramm Haschisch und sechs Gramm Kokain gewesen, angeblich für den Eigengebrauch.
Des Weiteren wussten sie, dass er einer der Köpfe der Jugendbanden im Bereich der Lundtoftegade in Nørrebro war. Von Informanten aus dem Milieu wusste Lars Sønderstrøm, dass Marco einen treuen Begleiter hatte, den gleichaltrigen Thomas. Dieser Thomas konnte der zweite Mann auf dem Mitschnitt vor dem Bordell sein. Die zwei galten als brutal, wenn sich ihnen jemand in den Weg stellte, und Marco dealte mit diversen Drogen und hatte Ambitionen, einen größeren Teil des Marktes in Nørrebro zu übernehmen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er in Konflikt mit den bereits etablierten Akteuren kommen würde. Deshalb war er nicht nur für die Mordermittlung, sondern auch für die Taskforce interessant, was die Vorbeugung zukünftiger Konflikte betraf.
Seine rastlose Nervosität erinnerte Katrine an einen Gymnasiasten, der nach irgendeinem Blödsinn zum Rektor gerufen worden war.
»Sagen Ihnen die Namen Sasja oder Maja Jensen etwas?«, fragte Jens.
»Nee, sollten sie das?«, fragte Marco und verschränkte die Arme vor der Brust.
Katrine bemerkte seine Tätowierungen. Auf seinem linken Arm erkannte sie den Schwanz einer Schlange, die unter seinem T-Shirt-Ärmel nach oben kroch. Seine Haut hatte einen goldenen Schimmer, seine Haare waren mittellang, lockig und schwarz, und er hatte braune Augen. Ein hübscher Kerl.
»Sasja ist der Name einer Prostituierten, die in Wirklichkeit Maja Jensen heißt«, sagte Jens.
»Eine Hure? Ich kenne doch keine Huren!«, sagte Marco und sah Jens auffordernd in die Augen.
»Kennen Sie vielleicht eine Massagepraxis am Israels Plads? Namens
Salon S
?«, fragte Jens ruhig.
»Ein fucking Puff? Nein, wissen Sie, meine Mutter hat immer gesagt, ich soll nicht an solche Orte gehen.«
Jens beugte sich zu Marco vor: »Wir beide wissen ganz genau, dass Sie sich nicht daran gehalten haben. Wir haben die Bilder einer Überwachungskamera, die beweisen, dass Sie in diesem Bordell waren. Und zwar am Montag letzter Woche.« Jens blickte in seine Unterlagen. »Um exakt 20.43 Uhr.« Er schob ein Standbild über den Tisch zu Marco. Es war ein Ausdruck des Überwachungsvideos. Es zeigte Marco und einen anderen, hellen Typen auf der Treppe des
Salon S
. »Wer ist das da neben Ihnen?«
Marco nahm das Bild und studierte es genau.
Jens hatte das sichere Gefühl, dass er Zeit gewinnen wollte. »Wer ist der andere?«
»Keine Ahnung.«
»Ist das ein Freund von Ihnen?«
»Nein.«
»Ist das nicht Thomas?«
Marco musterte ihn, als versuchte er zu ergründen, wie
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