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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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etwa danach gefragt? Keineswegs. Ich wollte auch eher nichts wissen. Er zog die Schuhe aus, betrachtete eingehend seine Zehen, ich habe nur einen Verdacht, behauptete er, eine Vermutung habe ich. Ich hielt mich an dem Spalier fest, tastete mich vorwärts und setzte mich neben seine Zehen, formschön wie alles am Analytiker, von den Zehen bis zu den Zähnen, Axel, ein vollendeter Mensch, Mann und Analytiker.
    Wäre ich ein im Wandelgarten vorüberwandelnder Bär mit einem kleinen Appetit, ich würde nicht zweimal überlegen, ich würde, ohne zu zagen, in den saftigen Analytiker hineinbeißen und ihn verzehren von den wohlgestalten Zehen bis zum gedrechselten Gebiss, ich würde mich, den unvorteilhaften Gänsestrauß daneben – wäre ich ein Bär –, nicht mit dem Hintern anschauen.
    Du bist eigentlich ein blöder Hund, sagte ich. Festgetackert an mein Hosenbein harrte eine smaragdgrüne Raupe einer Klärung der Lage, ich hielt ihr die Rose hin und schaute, wie sie in dem Blütenblattschlamassel nach dem Ausweg fahndete. Ein total blöder Hund, teilte ich ihm mit, ich stand wieder auf, sitzen bringts einfach nicht. Er holte die zusammengerollte Zeitschrift aus seiner Sakkotasche, steckte sie mir ins Hemd. Und was wird das?, fragte ich müde.
    Schau mal rein, sagte der Analytiker, ich dachte, es könnte dich interessieren.
    Aus persönlichen Gründen?
    Aus höchstpersönlichen Gründen.
    Ich drehte mich um und wankte den Weg weiter nach oben. Der Analytiker kehrte um, ich hörte seine Schritte gefräßig im Kies. Ich betrachtete die Raupe in der Rosenblüte, wisperte ihr was zu, sie bäumte sich auf, schaute sich um, tastete nach hier und da, versackte wieder. Das System Rose hatte sie kein bisschen begriffen. Ich gelangte ans Ende des Gartens, schleppte mich über den ewigen, den endlosen, horizontlosen, den gemeinen Platz vor dem Universitätsgebäude, ich sah schon von Weitem die riesige Zeder vor unserem Haus und war für einen kurzen, heftigen Moment glücklich. Dann war es auch schon wieder vorbei. Ich schaltete das Licht in der Diele ein, keine Katharina, schon klar.
    Ich setzte mich auf den Wäschekorb und holte die Zeitschrift hervor. Es war wie gesagt die Beilage der NZZ , die Kunstbeilage, die ich nicht lese, ich habe sowohl zu Kunst wie auch zu Beilagen aller Art grundsätzlich keine Meinung und wenn doch, eine schlechte.
    Ich blätterte herum, traumartig zogen die Reportagen und Bilder an mir vorbei. Ich meinte Heuschrecken zu sehen in gestrecktem Galopp, ein verkehrtes Klo mit einem verkehrten Mann darauf und ein Interview mit einem zerbeulten Hrdlicka zu seinem 80. Geburtstag, auf dem Foto saß er in einem gerippten Unterhemd am Tisch und soff, ein Museumsdirektor mit traurigem Clownsgesicht hob warnend die Hände, gestohlene Cézannes mit Zwetschgen und Quitten, ich blätterte schneller und dann wurde es interessant.
    Ich hatte im Blutigen Daumen das Interessanteste verpasst und Aufregung ist nicht gesund und wegschauen hilft: In dem Heft war Katharina, ohne Witz jetzt, Katharina und sie machte in Kunst – ich vermute, es sollte Kunst sein, sie grinste, hatte einen Klopapierhut auf dem Kopf und auf ihrem nackten Busen lag ein toter Fisch. Ich bestellte Wein, wo war der Wirt, seine Frau, meine Frau, ach Frauen.
     
    Ich erwachte und sah den Regen am Fenster. Der Wind kraulte verträumt in den Bärten der Bäume, auf dem Boden sah ich schon wieder die Raupe, sie robbte begeistert Richtung Kleiderschrank, ihr seid alle so blöd, sagte ich, ich schloss die Augen. Aus der Küche quakte eine Radiobewohnerin, kündigte Alfred Hrdlicka an, jetzt gleich live im Studio, vorher noch ein bisschen Musik. Alphörner wurden getutet, eine Ziehharmonika orgelte los. Katharina! Ich richtete mich auf, Katharina musste zurück sein, ich fuhr mir übers Gesicht, es roch gut, Katharina briet Eier, es roch nach Speck, ich tappte durch die Wohnung, blieb an der Schwelle zur Küche stehen, also wirklich!
    Analytiker, sagte ich, du blöder Hund. Der Analytiker-Axel briet in meiner Küche Eier mit Speck, das war der Gipfel.
    Ich ging ins Bad, schaute in den Spiegel und hätte weinen können, aber was hätte das bringen sollen. Ich sah aus wie einer dieser Zauberwürfel, den ein verzweifelter Tüftler auseinandergeschraubt und nie wieder zusammengekriegt hatte. Seither verwahrte er die Einzelteile in einem Gefrierbeutel.
    Ich zog mich an und setzte mich an den Tisch. Ich fühlte mich zerknautscht, von Kopf bis Fuß, der

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