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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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walzen.
    Komisch. Er fand das total komisch, aber nicht zu ändern. Der Mensch denkt und Gott lenkt, sagte Sydows Oma gern und er war auf einmal felsenfest davon überzeugt, dass Gott für Simon schnurgerade auf eine Filine zulenkte, einparkierte, sie einsammelte, ausparkierte und weiter geht die Fahrt, alles immer, ohne dass auch nur einmal der Motor absoff. Er fand das hochgradig interessant. Er schnitt die restlichen Pilze klein und sagte gar nichts mehr und Sydow war immer noch nicht da, dachte er zur Abwechslung, was war da los? War er auf der Treppe eingeschlafen?
    Stanjic reichte Glaser die Salatschüssel und wischte sich die Hände ab, ich geh mal nachschauen, wo er bleibt.
    Was? Nachschauen? Wo bitte willst du ihn in der Stadt suchen gehen? Wir sind hier nicht bei euch in Österreich auf dem Dorf, einmal um den Marktplatz und man hats gesehen, hier –
    Das heißt –
    Wie bitte, meine ich.
    Stanjic ging in den Flur, ich –
    Was?
    Wie bitte! Ich –
    Die Wohnungstür ging auf, Frederik, sagte er erleichtert, und dann lauter, ich wollte dich gerade suchen gehen, er senkte die Stimme zu einem Flüstern, wo warst du denn in aller Welt.

66. Hier wird wirklich mal geprobt

    Hallo David, sagte Sydow laut, er senkte die Stimme, bei der Nachbarin, murmelte er, du wirst es nicht glauben, wer das –
    Frederik, Glaser kam aus der Küche, er hatte sich das Küchentuch über die Schulter geworfen, ging voran ins Wohnzimmer, du bist zu spät.
    Ich weiß, tut mir leid, Sydow zappelte hinterdrein und Stanjic folgte ihnen langsamer.
    Sydow hatte aufgeregt rote Backen, warf seinen Rucksack hin und sich selbst in den Stuhl daneben, er machte Stanjic ein paar eindeutige Zeichen, die der kein bisschen kapierte.
    Glaser begann seine Geige zu stimmen, in einer Stunde gibt es Essen, darum müssen wir heute alles ein bisschen schneller spielen. Wo ist deine Klarinette?
    Ach herrje, vergessen.
    Was ist los mit euch, Simon stemmte die Geige auf seinen Schenkel, schaute abwechselnd von Stanjic zu Sydow, was soll das für eine Probe sein.
    Wir dachten, Sydow ließ das bedeutungsvolle Gestikulieren sein und die Hände sinken, das hatte sowieso keinen Sinn, Stanjic sah immer ratloser aus, gleich würde er fragen, warum er so herumzappele. Er bemühte sich, an ihm vorbeizuschauen, wir dachten, jetzt wo wir zusammen Klezmer spielen, wärs gut, wenn wir von nun an auch singen üben.
    Richtig, sagte Stanjic, seine Stirn glättete sich schlagartig, Die griiene Kusine beispielsweise, übrigens eines meiner Lieblingslieder –
    Wollt ihr mich verarschen.
    Ich schwöre.
    Glaser schaute Stanjic an, er hatte die Hand auf die Brust gelegt und blickte ihm treuherzig in die Augen, dann Sydow, der nickte nachdrücklich. Schön, sagte er. Aber ich warne euch. Die griiene Kusine ist nur der Anfang. Es gibt noch viele andere. Die Mame beispielsweise –
    Alle sind sie schön, sagte Stanjic.
    Und alle sind unsere Lieblingslieder, setzte Sydow eins drauf, zufällig.
    Glaser warf einen Blick auf seine Uhr, also gut. Er ging hinüber zum Regal mit den Noten und suchte ein paar Hefte heraus, dann hast du, Frederik, hier die Texte, er warf sie Sydow hinüber und stöberte in einem Stapel Papiere, hier hatte ich schon lange einmal Kopien gemacht, von den Noten. Ich hatte ja die Hoffnung nie aufgegeben, dass ihr mein neues Konzept, Musik der Erde, einmal mittragen würdet. Es ist wichtig, dass gerade wir Deutschen, die wir verantwortlich sind für den Massenmord an den Juden, in jeder Generation wieder neu darüber nachdenken, wie wir mit dieser Vergangenheit und Schuld umgehen. Ich hatte mir überlegt, die noch oder wieder hier lebenden Juden mit spontanen Ständchen jiddischer Lieder zu erfreuen.
    Sag mal, Sydow wechselte einen Blick mit Stanjic, er dachte an die Straßenszene neulich, Simon mit den anderen, unbekannten Musikanten, jetzt verstand er, sie hatten einen noch oder wieder hier lebenden Juden mit einem spontanen Ständchen erfreut. Stanjic machte ein entsetztes Gesicht.
    Sag mal, sagte Sydow, bist du sicher, dass das gut ankommt? Hast du das schon mal ausprobiert? Vielleicht wirkt das eher wie eine Provokation. Hast du schon Erfahrungen gesammelt?
    Wir müssen einfach noch ein bisschen daran feilen, sagte Glaser.
    Hast du es schon ausprobiert, wiederholte Sydow.
    Nur als Prototyp quasi, sagte Glaser, natürlich müssen wir noch daran –
    Und, war er erfreut? Sydow dachte an den davoneilenden Juden, er hatte gerade ein spontanes Ständchen

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