Schwarze Blüte, sanfter Tod
in Hongkong, die sich nach einem kleinen Drachen benennen. Das uralte Wappentier der Chinesen muà mit seinem Namen ja bei uns für die Benennung von so gut wie allen Dingen und Undingen herhalten, für die sich sonst kein passendes Markenzeichen findet, vom Hustenbonbon über süÃe Limonade bis zum lila Präservativ. Ich hatte mich im Hsiao Lung schon des öfteren aufgehalten, wenn ich in Ruhe nachdenken wollte. Der Wirt kannte mich. Zuerst hatte er gedacht, ich sei ein Bürohengst vom Obersten Gericht oder von der auch nicht weit entfernt liegenden Furama-Bank. Bis ich mich dann eines Tages hier mit Bobby Hsiang traf. Der hatte in diesem stillen Refugium vor einiger Zeit einmal amtlich zu wirken gehabt. Jemand erschlug seinen Tischnachbarn versehentlich mit einem der massiv guÃeisernen Aschenbecher. Eigentlich wollte er ihn nur während eines Streits durch den Wurf zum Nachgeben bringen, aber unglücklicherweise war es ein Jahrhunderttreffer, und so wurde Totschlag daraus. Der Wirt muÃte die Polizei bemühen, worauf Bobby ins Spiel kam, oberster Mordaufklärer und mein Freund seit den legendären Kindertagen in Wanchai. Später ging ich mit ihm zusammen Streife bei der Polizei, und dann, als Kriminalisten, waren wir wieder in Sachen Mord und Totschlag zusammen. Bis ich die Schale Reis verschüttete, wie man so schön sagt, und mich von der Polizei verabschiedete. Nun hält mich der Wirt wohl für einen Geheimagenten mit besten Beziehungen, ein Eindruck, den ich nicht dementiere, und den ich wohl für ihn manchmal noch dadurch verstärke, daà ich in meiner Ecke über das Taschentelefon halblaut Gespräche führe.
Wie jetzt. Und es war eben dieser Bobby Hsiang, mit dem ich telefonierte, nachdem der leise Piepston mich aus meinen mönchischen Meditationen über das Schicksal von Mrs. Ronaldo gerissen hatte.
»Ich habe es geahnt«, knurrte mein alter Gefährte mich an. »Du sitzt in einer Spelunke und läÃt dich von allen Seiten bedienen, während ich für mein Gehalt arbeiten muà wie ein Reisschneider zur Erntezeit!«
Es war zwischen uns seit Ewigkeiten zur Gewohnheit geworden, nicht so ganz todernst miteinander zu verfahren, wenn es sich denn einrichten lieÃ. Manche Leute sagen Chinesen Humorlosigkeit nach. Stimmt nicht. Selbst Leute wie ich, dessen Vater aus Amerika stammte, bringen es einfach nicht fertig, mit verbiestertem Ernst durchs Leben zu gehen. Weil das Leben für sich genommen ernst genug ist. Weshalb sollte der, der es zu fristen hat, dann auch noch vermuckt sein?
Also pfiff ich zurück: »Das sagt mir ein stinkfauler Beamter wie du? In welchem Kurort am Pazifik wirst du gerade von welchem Gangster freigehalten?«
Er zahlte mit gleicher Münze: »Im Bordell der 314 in Waikiki. Wir haben Triadentreffen, verbunden mit Dividendenauszahlung. Auf meinem rechten Knie sitzt eine Jungfrau. Auf dem linken balanciere ich ein Tablett mit zwei Gläsern. Mir fiel gerade ein, du könntest vielleicht den Wunsch haben, dir eine Leiche anzusehen?«
»Das ist pervers«, entfuhr es mir. »Warum betatscht du nicht lieber den Hintern deiner Jungfrau und vergiÃt mich? Was für eine Leiche?«
»Prachtstück von Wasserleiche«, gab er Auskunft, mit einem Anflug von Sachlichkeit. Aber nur einem Anflug eben. Denn er fuhr fort: »Acht Tage. Schön aufgequollen. Ganz reizend. Besonders nach dem Essen ...«
»Und ich Idiot dachte immer, du bist mein Freund! Wie heiÃt er?«
»Sie. Komm in die Pathologie. Ich warte so lange.«
»Eine Frau?«
Er konnte die Scherze noch nicht lassen. »Ja. Nooki hat nach eingehender Untersuchung bestätigt, daà sie weiblichen Geschlechts ist.«
Der Verdacht, daà es sich um Mrs. Ronaldo handeln könnte, lag zum Greifen nahe, wenn mir auch nicht ganz klar war, woher Bobby Hsiang wuÃte, daà mich ihr Verbleiben interessierte. Auf meine Frage gab er zurück: »Junge, du hast viel von der Polizeiroutine vergessen. Wenn wir zu einer Wasserleiche gerufen werden, piepsen wir natürlich sofort Nello Quok an und fragen, wer vermiÃt wird. Er war hier. Ist grade wieder weg. Sagte, ich soll dich anrufen. Und jetzt mach dich auf, ich möchte nicht unbedingt noch den Geruch von totem Fisch annehmen!«
Es war tatsächlich die Mrs. Ronaldo, die ich auf dem Bild in ihrem Büro gesehen hatte. Ich erkannte sie, obwohl die Leiche arg
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