Schwarzes Prisma
lässt.«
Er hatte diese Geschichte mit dem Eid als Angelpunkt seiner Argumentation benutzt. Es gefiel ihm nicht besonders, dass seine Worte jetzt gegen ihn benutzt wurden, aber solange sein ganzes Gehirn im Nebel lag – sein Herz hämmerte immer noch heftig –, konnte er dem nichts entgegensetzen.
»Außerdem«, fuhr Liv leiser fort, »selbst wenn du nicht vor irgendetwas wegläufst, einer von uns tut es vielleicht.«
»Hm?«, machte Kip. »Hm« ist das Beste, was ich zuwege bringe? Klasse.
»Ich komme mit, lass uns gehen«, sagte Liv.
Gemeinsam fanden sie den alten Mann, der zuvor die Menge angeschrien hatte, und ließen sich den Weg zu König Garaduls Armee weisen: »Geht nach Süden, und folgt den Spuren. Tausende sind bereits aufgebrochen. Wenn ihr der Armee beitreten wollt, statt nutzlos im Tross mitzulaufen, sagt dem Werbeoffizier, dass Gerain euch geschickt hat.«
Die Wachen am Tor der Alten würdigten sie nicht einmal eines zweiten Blickes. Außerhalb der Stadt fand Kip einen großen Stein, stellte sich darauf und zappelte sich in den Sattel. Liv nahm seine Hand und stieg hinter ihm auf. Das gewaltige Zugpferd schien mit dem Gewicht keine Probleme zu haben. Kip zwang sich, sich zu entspannen, während Liv ihm die Arme um die Taille legte, um sich festzuhalten.
Trotzdem zögerte Kip, schaute nach Süden, schaute zurück nach Garriston. Komm schon, Kip, du hast schon blödere Dinge getan und lange genug gelebt, um davon zu erzählen.
Da bin ich mir eigentlich nicht sicher …
Trotzdem trieb Kip das große Pferd an, und sie begannen die lange Reise.
67
Es begann als ein dumpfes Pulsieren. So begann es immer. Für eine Weile hoffte Karris, dass ihr Magen auf das Essen reagierte, das König Garadul ihr praktisch in den Schlund zwang. Karris hatte seit sechs Monaten nicht mehr ihr Mondblut gehabt. Wie bei den meisten Frauen der Schwarzen Garde war ihr Fluss bestenfalls unregelmäßig. Ihr hartes Training schloss es praktisch aus. Aber wenn Karris ihr Mondblut hatte, war es so, als mache ihr Körper verlorenen Schmerz wett.
Verdammt sei König Garadul. Dies war seine Schuld. Die erzwungene Langeweile trieb Karris in den Wahnsinn – im Wagen zu sitzen, außerstande zu sein, viel zu tun, und ständig überprüft zu werden. Als sie sie dabei ertappt hatten, dass sie ihre Kraftübungen machte, hatten sie drei Wandler und zwei Spiegelmänner hereingeschickt. Zu sechst passten kaum alle in den kleinen Wagen. Die Spiegelmänner hatten Karris gepackt und über das Knie einer der Wandlerinnen gelegt. Buchstäblich über ihr Knie gelegt.
Die Frau hatte einen Männerledergürtel hervorgezogen und Karris den Hintern wund geschlagen. Als sei sie ein widerspenstiges Kind. Sie war dreimal erwischt worden, und die Strafe veränderte sich niemals, aber allmählich veränderte sich ihr Wille, sich zu widersetzen. Die Rebellion erschien ihr zu gering und zu bedeutungslos, um sie aufrechtzuerhalten.
Jetzt wünschte sie, sie hätte es getan. Das Pulsieren breitete sich bereits in ihrem Rücken aus. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis der Durchfall begann.
Herrlich, eine Frau zu sein.
Die anderen Frauen der Schwarzen Garde nutzten ihre relative Freiheit vom Mondblut, insofern sie ihnen relative Freiheit von einer möglichen Schwangerschaft gewährte. Karris genoss einfach ihre relative Freiheit von Schmerz. Es waren Jahre vergangen, seit sie das letzte Mal mit etwas anderem als ihrem Kissen Sex gehabt hatte. Nicht dass sie genau jetzt darüber nachdenken wollte.
Es waren Männer, für die Frauen dies erlitten. Wie das alte Sprichwort es sagte, musste die Frau bluten, um den Samen des Mannes fruchtbar zu machen. Die Reihenfolge mochte verkehrt sein, aber sonst war es durchaus wahr.
Am Morgen brachten sie ihr das Kleid.
Es war nicht die Art von Kleidung, von der man erwarten würde, dass man sie zu seiner Hinrichtung tragen sollte. Es war keine exakte Kopie des Kleides, das sie getragen hatte, als sie ihrem Vater endlich nachgegeben und sich Gavin an der Spitze seiner Armeen bei der Rückeroberung Rus angeschlossen hatte, aber es war nahe dran. Zum einen war es aus schwarzer Seide statt aus grüner. König Garaduls Schneider hatte offensichtlich entweder aus dem Gedächtnis oder anhand eines Gemäldes von jenem Tag gearbeitet, oder er hatte einfach beschlossen, das Kleid entsprechend der Veränderungen umzuarbeiten, die die Mode während der letzten sechzehn Jahre durchlaufen hatte.
Es würde natürlich
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