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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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eiserner Wasserspeier knurrte sie aus der Mitte der Tür an. Von seinem Kinn hing wie ein wehender Bart der Rost, aber das Eisen und das Holz hatten die Jahrhunderte in unverminderter Stärke überdauert.
    Das Schloss hingegen nicht. Bruchstücke davon, herausgebrochen durch eine eng begrenzte Explosion, waren über den Boden verstreut. Zwei Leichen lagen darunter: Männer in Bergarbeiterkleidung, mit Geschirren für Werkzeuge über den Schultern und Wassersäcken an den Gürteln. Sie sahen aus, als hätte eine Bestie von der Größe eines Bären und mit den Klauen eines Löwen sie zerfetzt. Furchterregende Zähne hatten dem einen die Kehle aufgerissen. Beide Leichen waren ausgetrocknet wie die der ertrunkenen Kinder, die Bitharn in Cardental gefunden hatte, die Lippen zurückgezogen zu einem vergilbten Grinsen.
    Beim Anblick der Leichen verspürte sie ein heftiges Hungergefühl im Magen. Bitharn verschränkte die Arme und drückte sich auf den Bauch, um den Hunger und die damit einhergehende Übelkeit zu ersticken. Der Hunger war einfach Teil des Zaubers, der ihr die Sichtweise der Ghaole verlieh, redete sie sich ein; er hatte nichts mit ihrer Passage durch das Perethil zu tun. Sie wusste nicht genau, ob das so viel besser war, aber zumindest konnte sie auf diese Weise hoffen, dass das Verlangen, sich an Leichen gütlich zu tun, enden würde, wenn der Zauber des Dornenlords endete.
    Sie zwang sich, die Leichen leidenschaftslos zu betrachten. Die toten Männer schienen sich nicht gewehrt zu haben, zumindest zeigten sie keine entsprechenden Wunden, aber ihre Geschirre waren leer. Wo waren ihre Waffen geblieben? Hatte ihr Mörder sie gestohlen? Und wie, wenn es ein Tier war? Bitharn beugte sich tiefer hinab und versuchte, der Szene einen Sinn abzugewinnen.
    Es gelang ihr nicht. Die Sicht der Ghaole besiegte sie. Der flackernde Tanz von silbernem Licht über Schwarz machte es ihr unmöglich, die Details zu entdecken, die die Geschichte der Leichen erzählen konnten.
    Eine Laterne war neben der ausgestreckten Hand des Mannes hingefallen und hatte einen fettigen Fleck auf dem Boden hinterlassen. Es war jedoch nicht alles Öl aus der Lampe geflossen; etwas davon glänzte in dem zerbeulten Behälter. Mit etwas Licht könnte sie erkennen, was diese Männer getötet hatte, und vielleicht auch erfahren, ob es noch in der Festung war …
    »Zündet hier nichts an!«, knurrte Malentir und trat die Laterne beiseite, sodass sie klirrend gegen die Wand prallte. »Ich hatte gehofft, Ihr hättet beim ersten Mal zugehört, als ich das gesagt habe, aber anscheinend lernt Ihr nur langsam. Noch ein wenig langsamer, und Ihr seid demnächst tot. Habt Ihr bei dem Scheiterhaufen denn gar nichts gelernt? Schwarzfeuer verbreitet seine Verderbtheit durch Rauch. Die Laterne ist eine Falle für neugierige Narren wie Euch.«
    »Ich wollte nur herausfinden, was sie getötet hat«, verteidigte Bitharn sich matt. Sie zeigte auf ihre Augen. »So kann ich die Fährten nicht lesen.«
    »Dann hättet Ihr fragen sollen. Theoretisch arbeiten wir zusammen. Wenn Ihr mir nicht genug vertraut, um eine so simple Frage zu stellen, ist dieses Bündnis zum Scheitern verurteilt, und ich könnte mir jetzt geradeso gut die Handgelenke aufschlitzen.« Malentir atmete hörbar aus und fuhr sich mit der Hand durch das gestreifte Haar. »Ich habe Euch die Sicht der Ghaole nicht gegeben, weil ich mit meiner Zeit nichts Besseres anzufangen wusste. Es gibt andere Möglichkeiten herauszufinden, was Ihr wissen wolltet.«
    Möglichkeiten, die mich von dem abhängig machen, was du mir erzählst. Bitharn biss sich auf die Zunge. Stattdessen sagte sie: »Schön. Wie sind sie gestorben?«
    Er zeigte mit einer Hand, um deren Gelenk sich stachliger Draht schlang, auf die Tür mit dem Wasserspeier. »Das ist das Tor der Verzweiflung. Es war das letzte Siegel, das ich unversehrt gelassen habe. Offensichtlich hat Gethel eine Möglichkeit gefunden, es zu öffnen.«
    «Nicht celestianische Magie hat diese Männer getötet«, wandte Bitharn ein.
    »Wahrlich, Eure Scharfsicht erstaunt mich doch immer wieder.«
    Verärgert kniff Bitharn die Augen zusammen. »Wenn Sonnenfeuer sie nicht getötet hat, was dann?«
    »Wo sonst habt Ihr einen Fehlschlag bei der Magie Eurer Göttin erlebt?«
    »Wollt Ihr damit andeuten, dass das Siegel auf die gleiche Weise verdorben wurde wie das Perethil? Selbst wenn das so wäre – selbst wenn das möglich wäre –, wie konnte das geschehen? Warum sollte es

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