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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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aneinanderdrückten, nicht einmal ansatzweise zählen, die Gesichter, die sie in blinder, beinahe vernunftloser Bewunderung anstarrten. Und es war Bewunderung oder etwas, das dem sehr nahe kam; Bitharn konnte den Ausdruck auf diesen grauen, blicklosen Gesichtern unmöglich falsch deuten. »Was ist los mit ihnen?«
    »Gebt uns Futter!«, flüsterten die Kreaturen, die ihr am nächsten waren, verzweifelt bemüht, durch den Draht zu sprechen, der ihre Lippen verschloss. Ihre schuppigen Arme zitterten; ihre emporgewandten Gesichter waren angespannt von Sehnsucht. »Füttert uns. Wir dienen loyal, so loyal. Füttert uns.« Ihr Stöhnen hob und senkte sich wie das Rauschen von Phantomwellen, gefangen in einer Muschel; die Intensität veränderte sich, aber die Bedeutung blieb immer gleich. »Füttert uns.«
    »Das ist es, wozu die Bergarbeiter geworden sind. Maelgloth.« Malentir beugte sich am Rand der Grube vor, wobei ihm das Haar ins Gesicht fiel. Wimmernd huschten die Kreaturen davon, krochen sogar übereinander in ihrer Eile, vom Dornenlord wegzukommen.
    »Warum sind sie hier? Warum sind sie … so?« Kelland wandte sich zu dem Dorn um. »Könnt Ihr sie fragen?«
    »Fragen ist eine Sache. Eine Antwort zu erhalten, die es wert ist, gehört zu werden, eine ganz andere. Aber ich kann es versuchen.« Malentir legte eine Hand flach auf den Boden und schwang sich in die Grube. Die Maelgloth prallten zurück und ließen eine Armlänge nackten Felsbodens um ihn herum frei. Zu Bitharns Überraschung war der Boden vollkommen sauber; kein verschmierter Dung oder Dreck zeigte sich, keine Anzeichen des weichen schwarzen Moders, der die Wände der anderen Gruben bedeckte.
    Malentir schritt auf die Maelgloth zu, und sie drückten sich gegen die Mauer, bis sie nicht mehr weiter zurückkonnten. Er zog das elfenbeinerne Messer an seiner Hüfte, trieb es der Kreatur gleich neben sich ins Kinn und zog die Klinge in einer einzigen Bewegung durch die Unterseite des Kiefers hinauf ins Gehirn. Die Kreatur stieß ein Kreischen aus, das wegen der durch die Lippen gezogenen Drähte halb zu einem Pfiff wurde, und wand sich hin und her, das bleiche Messer im Schädel begraben.
    Der Dornenlord sprach ein Wort, leise und zischend, und der Kopf des Maelgloth fiel in sich zusammen, bröckelte weg wie ein von einer unsichtbaren Faust zerknüllter Papierball. Der Körper sackte zu Boden, und Malentir zog seine Klinge heraus. Das Elfenbein war sauber.
    »Ich habe kein Seil mitgebracht«, rief Bitharn nach unten.
    »Ich würde Euch auch nicht zutrauen, es halten zu können«, entgegnete Malentir. Er steckte das Messer in die Scheide und trat in den Schattenbereich jenseits der Reichweite von Kellands Licht, wodurch er einige der Maelgloth in den Schein des Celestianers schob. Der schwarze Schmutz in ihren Augen schmolz unter dem Funkeln des Sonnenfeuers; sie heulten schrill und bedeckten die Gesichter mit ihren Händen, die in Lumpen steckten, während sie verzweifelt den Rauch einsogen, der ihnen aus den Augen leckte.
    Malentir war taub gegenüber ihrem Kreischen. Er schnitt sich mit seinem Messer einen Finger auf, flüsterte eine Beschwörung an seine grausame Göttin und verschwand.
    Einen Moment später trat er aus dem Schatten um die nächstgelegene Herdstelle. Er erreichte die Grenze von Kellands Sonnenfeuer, blieb dort stehen und zog abermals die Elfenbeinklinge. Bleicher Nebel quoll aus ihrer Spitze und schuf ein geisterhaftes Abbild der Dornen, die den Griff des Messers umgaben.
    Er breitete sich aus und verfestigte sich zu der Gestalt eines vornübergebeugten, traurigen Mannes. Blasen erhoben sich auf seinem kurz geschorenen Schädel, und er krümmte sich vor Qual, aber kein Draht versiegelte seine Lippen, und die Augen waren seine eigenen. Eine verknotete Ranke aus Dornen, durchscheinend wie Alabaster, hüllte ihn von den Füßen bis zum Hals ein. Aus dieser Ranke schlang sich ein Ring mit Widerhaken um sein Gesicht, direkt unter den Augen, sodass seine Lider ihn berührten, wenn er blinzelte. Tröpfchen nebelhaften Blutes rannen über das Gesicht des Schattens, während die Dornen sich in sein Fleisch bohrten.
    »Wer bist du?«, fragte Malentir.
    »Ich kann nicht … ich kann es Euch nicht erklären.« Das Gesicht des Geistes verzerrte sich. »Man ist nie zweimal dieselbe Person – die Leute nennen einen einfach so. Es ist nützlich, so zu tun, als ob. Aber es ist … eine Ewigkeit her … seit mich das letzte Mal jemand gerufen hat.« Er

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