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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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schlechte Wege.
    Man sagt: Müßiggang ist aller Laster Anfang, das Erste, was daraus hervorgeht, ist Langeweile, da weiß man nicht, wo man sich hinthun soll. Nur arbeitsame Menschen sind aus sich heraus fröhlich, friedfertig und gut, Müßiggänger aber werden zur Trunk- und Spielsucht verleitet, werden ärgerlich, zänkisch, ränkesüchtig und schlecht. Darum Hausen in vielen vornehmen Ständen Laster aller Art.
    Während nun der größte Theil der Leute im Dorfe nur ein halbes Leben führte, war dem Lehrer ein doppeltes Dasein aufgegangen.
    Man hat schon oft gesehen, daß ein Mensch aus einem heftigen Fieber auch körperlich um einige Zoll größer aufstand, so war in unserm Freunde, während er mit fliegenden Pulsen das Leben Hedwigs in sich aufnahm, auch die Erkenntniß des Volksthums schnell, ja fast wunderbar gereist. Wie er einst den »Geistesduft der Schönheit schlürfte,« der über die äußere Natur ausgeströmt ist, und die rohe Benützung den Anderen überließ, so erkannte er jetzt in einem Jeden ein höheres Dasein, er war ihm ein Vertreter des heiligen und ewigen Volksgeistes. Edler als er sich selbst erschien, erschaute er nun jeden Einzelnen, denn er suchte, erkannte und liebte die reinere Kraft und Weihe in ihm. Er stellte einen Jeden höher, als er sich selbst achtete, denn er achtete das höhere Selbst in ihm.
    Er stand da als ein Mann, der das innerste Wesen Aller um sich her erkannte. Mit muthigem Entschlusse ging er nun daran, sie die »Freuden des Geistes kosten zu lassen;« er war jetzt gereist genug, durch die äußerliche Schale hindurchzudringen.
    So saß er nun oft Abends im Wirthshause und las die Zeitung vor; er hatte viel zu berichtigen, denn der Studentle, an den man sich früher gewendet hatte, liebte es, den Leuten die verkehrtesten Dinge aufzubinden.
    Ein kleiner Kreis hatte sich um den Lehrer gesammelt, Andere saßen an den Tischen und spielten, oft aber horchten sie auch hin nach dem, was der Lehrer vortrug und mancher Rams ging dabei verloren, Mancher legte die Kreide nicht an den bezeichneten Ort und erhielt einen Strich.
    Die Männer gewannen nach und nach Zutrauen zu dem Lehrer und sprachen sich unverhohlener aus.
    Trotz seiner innigen Liebe ward es unserm Freunde doch schwer, sich ganz in die Weise dieser Menschen zu versetzen.
    Es ist leicht gesagt: ich liebe das Volk! Aber jederzeit persönlich bereit sein, auf allerlei Seltsamkeiten einzugehen, ohne sich an oft häßlichen Angewohnheiten und verhärteten Sitten zu stoßen, bald als Freund in beliebige Abschweifungen eingehen, bald als liebende Mutter sich selber keine Ruhe gönnen und mit Wonnelächeln jedem neuen Worte lauschen – dazu gehört eine Selbstentäußerung, ein Hinausgeben der eigenen Persönlichkeit, die nur der ächten Liebe möglich ist. Dank der gesunden Erkenntniß, sie war in unserem Freunde.
    Eines Abends begann Mathes: »Herr Lehrer, ich muß jetzt dumm fragen, aber warum heißt denn auch die Zeitung: Schwäbischer Merkur und nicht Schwäbischer Merker, so soll's doch heißen, weil er auf alles aufmerkt, oder heißt's auf Hochdeutsch Merkur?«
    »Du hast den Alten auf dem Nest gefangen,« sagte der Studentle, »du hast ganz recht, Mathes, die in Stuttgart verstehen nichts. Narr, ich thät an deiner Stelle 'nabgehen und thät's ihnen sagen, du kriegst gewiß das Präme.«
    Der Lehrer aber erklärte, daß Merkur der Götterbote und der Gott des Handels im alten Griechenland gewesen sei.
    »Ja, wie kommt denn der aber jetzt dazu, schwäbisch zu heißen?« fragte Mathes wieder.
    »Das hat man eben so gemacht,« erwiderte der Lehrer; er hatte selber noch nie darüber nachgedacht.
    »Ich muß jetzt auch noch was fragen,« begann Hansjörg. »Haben denn die Griechenländer an mehr als an einen Gott geglaubt?«
    »Freilich,« erwiderte der Studentle, »der Ein' hat gemistet und der Ander' gesät, der Ein' hat geregnet und der Ander' donnert; für ein' jed' Sach' einen besondern Gott oder eine Göttin. Die Griechen haben sogar ihren Göttern erlaubt, daß sie heirathen.«
    »Es werden halt Heilige oder Engel gewesen sein,« sagte der Maurer Wendel, »oder so Schutzpatronen; sie müssen doch einen Oberherrn gehabt haben, sonst wär's ja eine Gaukelfuhre zum Kranklachen so dumm.«
    »Du hast den Thurm von Babylon auch nicht mitgebaut, Maurer,« bemerkte der Studentle, »freilich haben sie einen Oberherrn gehabt, einen Staatskerl, er hat nur ein eifersüchtig Weib gehabt, die hat ihm viel zu schaffen

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