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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Erklärung abzulegen:
    »Eine Leiter, die im Hofraum beim Heuboden an's Dach gelehnt zu stehen pflegt, befand sich den Morgen nach Abreise der beiden Herren mitten im Hofe liegend. Die im Erdboden bemerkbaren Furchen, deuteten darauf hin, daß sie von der Wand des Stalles unterm Heuboden, mühsam an die entgegengesetzte des Hauses geschleppt, dort wieder aufgerichtet und angelehnt, später jedoch, und zwar von oben, gewaltsam umgeworfen worden.«
    »So muß denn,« rief der Justizrath völlig verzweifelt aus, »ein Mensch, den die beiden Fremden haßten und verfolgten, sich alle ersinnliche Mühe gegeben haben, über eine Leiter zu ihnen in's Fenster zu klettern, damit sie ihn recht mit Bequemlichkeit abschlachten konnten? Weiter, Gott weiß es, kann man die Rücksicht für Mörder nicht treiben. Und wer, um aller Welt Wunder willen, muß denn dieser Zuvorkommende gewesen sein?« fragte er dem nach beendigter Leichenbeschau in's untere Gastzimmer bei ihm eintretenden Kreisarzte entgegen.
    »Ein junger, gesunder Mann von höchstens vier- – fünfundzwanzig Jahren, unbedenklich den besseren Ständen angehörig, aber durchaus unkenntlich, da sein Antlitz scheußlich verstümmelt und entstellt ist. Doch diese Nichtswürdigkeit scheint erst nach erfolgtem Tode geschehen zu sein und der Tod ist herbeigeführt durch einen Stoß in's Herz; wie die absolut tödtliche Wunde bezeugt. Mit welcher Waffe? ist schwer zu bestimmen; so viel die eigenthümliche Form der Wunde vermuthen läßt, mit einem spitzen, scharfen, wahrscheinlich aus fernen Landen herrührenden Messer oder Dolch, eigens zu ähnlichem Zwecke geschmiedet. Ihnen, werther Freund, wird es übrigens schwer, wo nicht unmöglich werden, Namen und Stand des Unbekannten zu erforschen. Die Mörder haben Alles bei Seite geschafft, was zu Nachweisungen verhelfen könnte. Unbekleidet liegt der Leichnam, wie wir ihn fanden; sogar die Strümpfe haben sie ihm ausgezogen, wahrscheinlich, weil diese gezeichnet waren? Wer soll Auskunft über ihn geben?«
    »Der einzige Mensch, der es vielleicht vermag, bleibt der Dresdner Lohnkutscher? Diesen aufzufinden, will ich selbst . . . . und doch weiß ich kaum, ob es nicht noch wichtiger wäre, erst auf die Poststation zu eilen, um die Namen der beiden . . . doch diese werden sich gehütet haben, ihre wirklichen Namen anzugeben – und sie haben dreimal vierundzwanzig Stunden Vorsprung! Wenn der Himmel sich nicht durch ein Wunder in's Mittel schlägt, sind sie entkommen und unsere Bemühungen fruchtlos.«
    »Wer sind denn,« – fragte der Arzt dazwischen, »die Personen, die ihr Unstern zu diesem traurigen Anblick hierher führte? War es nicht eine junge Dame, durch welche die Entdeckung geschah?«
    »Allerdings. Und die Form verlangt unabweislich, daß auch sie vernommen werde. Ja, obgleich es wirklich nur eine leere Form ist, werd' ich doch nicht vermeiden können, sie am Orte der That zu verhören, ihr sogar den Todten zu zeigen und ihr die Frage zu stellen, ob sie im Stande sei, irgend eine Vermuthung über ihn auszusprechen? Da es geschehen muß, so geschehe es bald, damit die guten, ehrlichen Leute nicht länger unnütz aufgehalten werden.«
    Das Gericht begab sich an den Ort der That. Reichenborns wurden zugezogen und mit aller Achtung und Schonung behandelt. Besonders Caroline, die sich von ihrem Schrecken noch nicht erholt zu haben schien. Nur mit Widerstreben brachte der Justizrath die unzarte Forderung vor, daß sie den ›in einem von ihr allein bewohnten Raume gefundenen, durch sie entdeckten unbekannten männlichen Leichnam recognosciren‹ solle. Ihre Eltern wollten dagegen Einsprache thun; sie aber sagte leise zur Mutter: »Laß' mich, damit ich endlich meine verrückten Einbildungen los werde.« Und mit den kräftig gesprochenen Worten: »Ja, ich will den Todten sehen,« trat sie zu dem in eine Bahre umgewandelten Lager und zog selbst das weiße, mit Blut befleckte Betttuch vom entstellten Angesicht. »Dieser Mensch ist nicht mehr zu erkennen!« rief sie aus und wandte sich voll Ekel mehrmals schaudernd ab; doch immer wieder hingezogen zu ihm, that sie ihrem Abscheu Gewalt, bot dem Grausen der Verwesung Trotz und riß, wie wenn sie sich plötzlich auf ein untrügliches Kennzeichen besänne, die kalte Todtenhand hervor, deutete auf eine kaum sichtbare Narbe, die Folge einer Verwundung aus früher Kindheit, und sprach dann zu ihrer Mutter: »Ich wußt' es ja; er ist es!«
    »Wer ist es?« fragten ängstlich der

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