Schwarzwaldau
geistreichen zuvorkommenden Herrn des Schlosses, der ihr bis zum letzten Augenblicke alle Höflichkeiten erwiesen und die Pflichten des Gastrechtes auf's Gewissenhafteste erfüllt hatte. Aus ihren Andeutungen ging eben so unwiderleglich hervor, daß Gustav ihr von seiner Beziehung zu Agnes, auch als Bräutigam, nicht mehr entdeckt habe, als sie aus eigener Anschauung schon gewußt. Was damals hingereicht, sie von einer zur Nebenbuhlerin werdenden Freundin mit eifersüchtiger Heftigkeit weg zu treiben, das erschien jetzt, durch Jahre gemildert, durch den unterdessen errungenen Besitz des Geliebten ausgeglichen, wie ein Irrthum der sonst so reinen und edlen Frau, der mit ihr begraben war. Aller Haß, aller Groll, alle Eifersucht war todt. Nur zärtliche Erinnerungen walteten und diese wendeten sich dem einzig Ueberlebenden einer durch die Ferne verklärten Zeit wehmüthig lächelnd zu.
Emil konnte und wollte nicht verheimlichen, daß die furchtbarsten Gerüchte über Gustav's Tod ihn erreicht. Er wagte es von ›schauderhaftem Raubmorde‹ zu reden; wagte es, Carolinen zu bitten, sie möge ihm, der nur unglaubliches, unzusammenhängendes Geschwätz vernommen, Aufschluß geben; wofern es sie nicht zu sehr angreife? Er stellte diese gefährliche Bitte mit der entsetzlichen Ruhe, die gerade schwachen Menschen bei solcher Gelegenheit, wo es an den eigenen Hals geht, bisweilen eigen ist. Er wollte um jeden Preis und jetzt gleich, auf der Stelle, erfahren, was er noch zu fürchten habe? und ob Carolinens Freundlichkeit doch nicht vielleicht Verstellung sei? Ob sie sich nicht vielleicht Gewalt anthue, ihn erst sicher zu machen, und dann um so sicherer in die Schlinge zu locken?
Doch jede Silbe aus ihrem Munde trug bei, solche Besorgnisse zu zerstreuen. Und das Gefühl, es hafte an ihm auch nicht ein Fäserchen des Verdachtes, gab ihm die gräßliche Fähigkeit sich, – was er selbst vollbracht und vollbringen sehen – schildern zu lassen, ohne daß er in reuiger Unterwürfigkeit auf seine Kniee gestürzt wäre und geschrieen hätte: halt' ein; ich will beichten und will ergänzen, was Du falsch erzählst! Nein, er blieb unbeweglich und unbewegt, heuchlerische Theilnahme zeigend; – sogar eine nichtswürdige Thräne zwang er sich aus den Augen, gerührt über die günstige Schickung, die es also fügen wollen, daß Carolinens Vermuthungen auf der Fährte jenes Weibes umherschweiften, deren wilder Gluth für Gustav der anonyme – nun leider! verbrannte – Brief Erwähnung gethan. Nach ihrer Meinung hätte die zwiefach Betrogene Mörder gedungen; diese hätten die That verübt –(wie? das blieb denn allerdings unerklärlich, denn die gleichwohl authentischen Aussagen der Wirthin sprachen jeder Erklärung Hohn!) – und einen Mord, den unersättliche Leidenschaft veranlaßt, noch obend'rein zum Raubmord erniedrigt. Die vermeintliche Urheberin hatte Deutschland schon verlassen vor Ausübung der That und war gerichtlicher Verfolgung unzugänglich geworden, – wenn solche, bei derlei schwankenden Indicien, überhaupt zulässig gewesen? Das wußte Caroline durch den Justizrath, mit welchem sie in schriftlichem Verkehre blieb. Daß sich die Dinge so günstig für ihn wendeten, rührte ihn wirklich; er empfand in seinem Innern Dank gegen Gott der ihn beschützen wolle. – Ihn, den Mörder! –
Resignirt, sich, wenn es so sein müsse, unbedingt zu liefern, war er nach Thalwiese gekommen.
Voll neuer Lebensregung und Hoffnung, ja, – wir dürfen auch das nicht unterdrücken, wollen wir unpartheiisch sein, – nicht ohne gute Vorsätze für die Zukunft, die sich aus seinem Trostspruche: ›ein gemeiner Mörder bin ich nicht!‹ entwickelten, verließ er Carolinen.
»Zuverlässig (so lauteten seine sophistischen Schlüsse) hat es auf Erden schon unentdeckte Mörder gegeben, die nicht erreicht von strafendem Arme irdischen Gerichtes, das ewige durch unsträflichen Wandel zu versöhnen strebten; denen in guten Thaten, in menschlichem Wohlwollen ihre Tage sanft verrannen; die sich von Blut und Laster rein wuschen im Strome der Zeit; die Entsündigung fanden, ohne ihr Haupt auf den Block zu legen. Ja, ich muß es bekennen, wie unglaublich es mir selbst klingt: noch nie war mir das Leben so werth, so wichtig, als seitdem ich es einem – Andern geraubt. O ich will, ich muß leben! –«
»Und frage nicht mehr, ob es rühmlich sei?« klang es in ihm nach. Er aber wußte nicht, ob dieß Citat aus einem seiner Lieblingsdichter,
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