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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Zufälligkeit. Er lief, einen seiner Lieblingsdichter zur Hand, kreuz und quer durch seine und die benachbarten Forste, im fatalistischen Glauben an ein aus den Wipfeln der Bäume fallendes Ereigniß, wodurch seine Seele zu neuem Leben empor getragen werde! Hätte er Rechenschaft geben sollen über nähere Beschaffenheit dieses Glaubens, er würde sehr verlegen geworden und unfähig gewesen sein etwas Vernünftiges vorzubringen; man müßte denn dafür gelten lassen, daß ihm, was Caroline vom schlafenden Unbekannten an der Grenze erzählt hatte, ein unbestimmter Antrieb wurde. Er zweifelte nicht, daß jener junge Mann kein Anderer sei, als der Sohn seiner nachbarlichen Gegner und Feinde. Es erschien ihm reizend, diesem – aber ohne ihn aufzusuchen, nur zufällig! – im Walde zu begegnen, seine Bekanntschaft zu machen, und dieselbe, wofern sie die Mühe lohnte, der feindseligen Familien-Trennung zum Trotze, in's Geheim fortzusetzen; nur im Walde, sonst nirgend, mit ihm zusammenzukommen; ihn anderswo scheinbar nicht zu kennen; über ihr freundliches Begegnen den Schleier der Verborgenheit zu hüllen und auf solche Weise dem erträumten Verhältniß eine Bedeutung zu verleihen, die es sonst vielleicht nicht gewinnen dürfte. Derlei Kindereien mochten es etwa sein, die seiner haltlosen Phantasie Flügelchen ansetzten. Aber es kam noch etwas Anderes dazu, was wir nicht umgehen dürfen, weil es zur schärferen Bezeichnung Desjenigen beiträgt, dessen Geschicke den finstern Inhalt dieses Buches bilden. Emil von Schwarzwaldau, der Characterlose, Schwankende, Unerzogene, trug das Bedürfniß in sich, zu belehren, zu bilden, zu erziehen. Er war ein Schönredner; liebte als solcher zu glänzen, zu dociren. Was in ihm nicht klar, nicht fertig geworden, weil er nicht logisch zu denken vermochte, weil ihm auch dazu Ernst und Ausdauer fehlten, das strebte er sich klar zu machen und zum Abschluß zu bringen, wenn er seine unsicheren Gedanken und Ansichten, in's Gewand der Phrase gehüllt, zum Besten gab. An Agnesen war seine Kunst verloren gegangen. Ein empfängliches, hingebendes Kind hatte er in ihr heimzuführen gemeint und war fast erschrocken vor dem abgeschlossenen Ernst der stillen Jungfrau, die seinen auf sie einströmenden Ergießungen unerschütterliche Festigkeit; die seinen, ›philosophische Untersuchungen‹ benannten Widersprüchen, weibliche Religiosität entgegenhielt, ohne sich im Geringsten irre machen zu lassen. Er gab sie auf – und vielleicht trug die Niederlage, welche seine Eitelkeit dadurch erlitt, nicht wenig dazu bei, ihn ihr zu entfremden. Gewiß verbarg sich hinter die Theilnahme, welche Franz mit den unheimlichen Bekenntnissen düsterer Vergangenheit ihm abgewann, im ersten Augenblicke die schmeichelnde Voraussicht, es werde in diesem Burschen ein bereitwilliger und empfänglicher Zuhörer für ihn gewonnen sein. Daher auch die fast brüderliche Annäherung; die jedoch vor des Jägers durchaus nicht schülermäßiger Haltung sich sogleich wieder zurückzog, wie wir gesehen haben.
    Vergebens hatte Emil einige Wanderungen nach der von Carolinen bezeichneten Stelle an der Grenze unternommen. Der von ihr so scharf beobachtete Schläfer schien die Störung übel vermerkt und einen anderweitigen Ruhe-Platz aufgesucht zu haben, den auszuforschen Emil sich angelegen sein ließ. Bei Menschen dieser Gattung geschieht es nicht selten, daß ziemlich gleichgiltige Absichten, die zu Anfang nur eine vorübergehende ›Volléität« – (ich kenne kein gutes deutsches Wort für diesen ächt-diplomatischen, mattes, fast planloses Wollen bezeichnenden Ausdruck!) – gewesen, nach und nach in lebhaften Wunsch übergehen und zuletzt, durch Nichterfüllung angereizt, sich bis zur fixen Idee steigern. Je länger die geträumte Begegnung auf sich warten ließ, desto hartnäckiger verrannte sich Emil in die Sehnsucht danach; so daß er endlich für nichts Anderes mehr Auge noch Ohr hatte und zu Hause die tödtlichste Langeweile empfand und um sich her verbreitete; worüber ihm Caroline manche witzige und spitzige Bemerkung machte. Ganz im Gegensatz mit Agnes, welche den kleinen Krieg nicht liebte und jede Art von Frieden vorzog; sollte es auch der Friede des Schweigens sein.
    Das ersehnte Zusammentreffen fand nach langem Harren doch einmal Statt; wie denn auf die Länge sich Alles erfüllt, wonach Einer trachtet, – wofern er sich nur hübsch Zeit läßt und es auch erlebt. Ja, ich hin überzeugt, wer es nur erlebte, –

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