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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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geworden, wie sich zum klappernden Storchschnabel auf dem Schornstein der fluchende Storchschnabel in Haft, und zum gefängnißerbauenden Emil ein das Gefängniß einweihender Emil gesellte, verlor sich rasch, ohne die Spur einer trüben Färbung zu hinterlassen, sobald sie nur wieder im Freien sich befanden und Hanns wurde sogar gestreichelt, da er sich zu ihnen hernieder ließ.
    »Es muß ihm etwas sehr Angenehmes geschehen sein,« sagte Agnes zu Carolinen, »was ihn stählt gegen die Einbrücke, denen er sich sonst rücksichtslos hingeben würde.«
    Die verständige Frau faßte mit ihrer kalten Beobachtungsgabe den richtigen Gesichtspunct auf, obgleich sie von den Vorgängen des Tages nichts wußte. Wir werden später genau erfahren, wodurch Emil's bewegliches Herz mit freudigen Hoffnungen erfüllt worden. Damit diese Hoffnungen Boden finden und Wurzel schlagen konnten, mußte vorher hinweggeräumt sein, was seit den Erörterungen zwischen Franz und ihm als dumpfer Druck auf ihm gelastet. Und diese Reinigung hatte der Raubschütz übernommen, der, wie wir schon ahneten, ein entwichener Sträfling war, der im Jäger Franz einen ehemaligen Kerkergenossen erkannt; ihre Bekanntschaft diesem laut vorgeworfen und dadurch den eben vorher gegen seinen Herrn trotzenden, Besorgniß einflößenden Diener völlig niedergeschlagen, stumm gemacht, tief gebeugt hatte. Emil empfand mit erleichterndem Wohlbehagen das Uebergewicht, welches ihm dadurch, ohne Verletzung eines ihm gegönnten Vertrauens, über den gefährlichen Vertrauten zu Theil wurde. Das Schicksal hatte es gleichsam übernommen, die Folgen seiner leichtsinnigen und unbedachten Hingebung, – für's Erste wenigstens, – zu beseitigen. Franz zeigte sich sehr gedemüthiget.
    Desto schwungvoller entfaltete sich Emil's Beredtsamkeit. Kaum saß er mit den Damen am Theetisch, so bemächtigte er sich wiederum des Gespräches, um es auf die räthselhafte Neigung des Menschen hinzulenken, die so begierig ist nach jeglicher Schilderung von Verbrechen und nach Erzählungen über diejenigen, welche dergleichen verübten. »Meines Erachtens,« äußerte er, »wäre im Gebiete der Romanen-Litteratur durch Criminal-Geschichten noch viel zu leisten. Freilich giebt es zwei verschiedene Gattungen derselben. Man kann, wie es häufig geschieht, wirklich verübte, zur öffentlichen Kenntniß gekommene Unthaten zum Gegenstande der Darstellung machen und sich bestreben, aus vorliegenden, vom Gericht beurtheilten und bestraften Facten, das Wesen der Uebelthäter psychologisch zu entwickeln. Diese Versuche werden gewiß den schauerlichen Reiz der Realität für sich haben und schon deßhalb viele Leser finden. Aber, künstlerisch betrachtet, müssen sie viel zu wünschen übrig lassen; der Schriftsteller wird, nach mehr denn einer Richtung hin, gebunden, wird gezwungen sein, zu ergänzen, auszuschmücken, voauszusetzen, unterzuschieben – ohne doch eigentlich erfinden, schaffen zu dürfen. Diesen Vorzug jedoch kann er gewinnen, wenn er Charactere producirt, aus denen er, naturgetreu und dichterischwahr, Thaten herleitet, deren innerstem Wesen entsprechend. Menschen und Begebenheiten gehören dann ihm und darum ist er durch nichts eingeengt als poetischer Schöpfer.
    »Dennoch aber,« warf Caroline ein, »wird es ihm niemals gelingen, ein Kunstwerk zu schaffen, wofür er Dank erntet. Unbefriedigt durch den unvermeidlichen Ausgang solches Romanes, verletzt durch die davon unzertrennlichen Enthüllungen innerster menschlicher Schlechtigkeit, wird der Leser das Buch aus der Hand legen; wird gerechte Klage führen, daß der Autor ihn mit schlechtem Volke, mit gemeinen Lastern zu unterhalten strebt; und die Kritik wird es verwerfen.«
    »Und doch,« entgegnete Emil, »wird es immer wieder Leser finden; ja, viele! Während kein gebildeter Mensch an Geisterspuk, noch Gespenster glauben mag, hört jeder Mensch von Phantasie für sein Leben gerne Gespenster-Geschichten erzählen. Während Kritik und feiner Geschmack Criminal-Tragödien verabscheuen, Criminal-Romane achselzuckend verdammen, greifen wir Alle verstohlen nach jedem Bericht, auch nach dem trockensten Auszug von gerichtlichen Verhandlungen über große Verbrechen; – der Recensent nicht minder als wir. Kein Mensch mit zarten Nerven wird die Schauer der Mitternacht gänzlich besiegen, wenn er allein über einen Kirchhof geht. Kein Mensch von warmem Blute darf die Sympathie verläugnen, die der Verbrecher, (vorausgesetzt, daß dieser

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