Schwarzwaldau
nicht in seiner Rohheit ein halbes Thier sei), bei ihm hervorruft.« –
Caroline schwieg auf diesen Einwurf. Es war, wollte sie, was sie aus Emil's Munde vernommen, erst noch einmal durchdenken und durchfühlen, um sich Rechenschaft darüber zu geben?
Da sprach Agnes, die bisher wenig Theil genommen zu haben schien, mit einer zwischen Spott und Ernst schwankenden Biegung ihrer fast männlichen Stimme: »Du solltest einen Roman dieser Art zu schreiben versuchen!«
Wenn ein Blitzstrahl schmetternd herniederfährt und die Bewohnerin des in seinen Fugen zitternden Häuschens ängstlich harrt, ob er gezündet hat und ob die Flammen nun ausbrechen werden? mag etwa ihre Bangigkeit derjenigen gleichen, mit welcher nun Caroline lauschte, was für eine Wirkung jene Worte hervorbringen würden? Sie konnten, wie harmlos an und für sich sie klangen, in dieser Gedankenfolge eine böse Deutung erfahren, je nachdem Emil sie aufnahm. Doch zeigte sich jede Befürchtung bald unnütz. Der Gefragte entgegnete nur: »Ich? bin ich denn ein Schriftsteller?«
Und Agnes, – vielleicht war sie selbst froh über seine Gleichgiltigkeit? – sagte beinahe verbindlich: »Hättest Du doch gewiß die Fähigkeit, einer zu werden; und ein recht interessanter . . . auch dürfte eine litterarische Beschäftigung Dir gut thun, da es Dir eigentlich an anderer mangelt. Die Landwirthschaft füllt Deine Zeit nicht aus, und Deine geistigen Bedürfnisse eben so wenig.« –
»Wer weiß, was geschieht, wenn sich mir ein pikanter Stoff darbietet? Mein Namensvetter Emil scheint wenig Ausbeute zu versprechen und ein ganz ordinärer Taugenichts zu sein. Wir müssen abwarten, ob sich unter den künftigen Gästen unseres ›Storchschnabels‹ Exemplare vorfinden, die besser geeignet sind, litterarisch verarbeitet zu werden? Für heute setz' ich mich keinesfalls an den Schreibtisch, denn ich habe noch einen Gang in's Freie vor.«
»Bei Nacht?« fragte Caroline; »doch nicht etwa, um im Scheine des Mondes Abenteuer für einen Roman aufzusuchen?«
»Das hängt von Umständen ab,« rief er lächelnd zurück; denn er eilte schon hinaus. Unten ließ er das bereits geschlossene Thor sich öffnen und befahl dem Hausknecht, der dieß Amt über sich hatte, keinem der Dienstboten von seinem ungewöhnlichen Ausfluge etwas zu verrathen! Warum dieß Geheimniß? Was hat er denn vor, daß es verborgen bleiben müßte? Er wendet sich der Gegend zu, wo er heute mit Franz gejagt und macht rasche Schritte, um vor zehn Uhr den Platz noch zu erreichen, auf welchem der von des Raubschützen Kugel gefallene Rehbock liegen blieb. Aber wie rüstig er ausholt, er bemerkt im Scheine des Mondes drei Leute, die auf einem andern Fußsteige, dennoch in gleicher Richtung mit ihm, den Vorrang gewinnen: seinen Förster, den Revierjäger und einen Tagelöhner aus dem Dorfe. Diese erreichen das Ende des langen Ackerstreifens früher als er und kaum haben sie den Wald betreten, so erhebt sich verworrenes Gezänk durcheinander schallender Stimmen. Er muß wissen, was dieß bedeutet, weßhalb dieser Streit entsteht, denn er ruft ›ho, halloh,‹ nennt die Namen des Försters und des Jägers und giebt kund, daß er selbst herbeieile, um als Gutsherr den Zwiespalt zu schlichten. Schier athemlos kommt er eben zurecht, aus der diensteifrigen Forstleute Händen einen jungen Mann los zu machen, der durch ihren Angriff überrascht und erbittert, ihm entgegenschreit: ob dieß etwa eine boshaft angelegte Falle sei? »Dieser Herr,« nimmt Emil entschieden das Wort, »hat mir heute sehr gefällig bei der Festnehmung des gefährlichen Raubschützen Beistand geleistet; ich habe ihn ersucht, das erlegte Wild als Geschenk anzunehmen und es hier abzuholen. Deßhalb hat er sich mit einem Träger eingefunden, und deßhalb hab' ich mich, weil ich Ihre unermüdliche Aufmerksamkeit kenne, mein lieber Förster, in Person an Ort und Stelle begeben, um ein leichtmögliches Mißverständniß aufzuklären.«
Förster und Revierjäger traten zurück, lüfteten die Mützen und gingen ziemlich verdrüßlich von dannen. Der Erstere murmelte im Gehen seinem Untergebenen in's Ohr: »Der Herr weiß nicht, was er thut; des bankerotten Nachbars Müssiggänger von Sohn und der zerlumpte Strauchdieb aus Thalwiese, der den Bock heim schleppen soll, sie sind gleichfalls Wilddiebe; alle Beide. Wer weiß noch, ob sie nicht geschossen haben und der Kerl im neuen Thurme nur ihr Gehilfe ist?«
Zum Glück hörte Emil von diesen
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