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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Verdächtigungen nichts mehr. Er beeiferte sich, den so ganz wider seine Absicht Beleidigten zu versöhnen und dieser ließ sich endlich in so weit beruhigen, daß er den mitgebrachten Burschen bedeutete, das Stück Wildpret auf seine Schultern zu laden und voranzugehen. Er selbst blieb bei Emil zurück. »Ich sollte mich eigentlich schämen,« sprach er zu diesem, »Ihr Geschenk angenommen zu haben, Herr Nachbar. Doch aufrichtig gesagt, war es mir höchst willkommen. Meine Eltern haben sehr viel dagegen einzuwenden, daß ich mich von Früh bis Spät im Freien umhertreibe und verlangen, ich solle mich ihrer Landwirthschaft widmen, die mich anekelt. Die mir einwohnende Jagdlust verspottet Vater, weil er am Besten wissen will, daß auf seinem Revier nichts zu schießen sei, als Eichkätzchen und Feldmäuse: Als ich heute, – wie wir es mitsammen verabredet, – zu Hause meldete, ich hätte den Rehbock gerade in unserem Reviere angeschossen und Sie hätten mir gestattet, ihn abholen zu lassen, obgleich er erst auf Ihrem Terrain verendete, da brachte die Aussicht auf einen so seltenen Braten günstigere Beurtheilung meines Umherstreifens hervor und ich denke etwa vierzehn Tage lang treiben zu dürfen, was ich will.«
    »Es ist erst kürzere Zeit her, daß Sie bei Ihren Eltern eintrafen?«
    »Einige Monate. Ich war Fähndrich im  . . . ten Cavallerie-Regimente und fiel im Officier-Examen glorreich durch. Es waltete Malice dabei vor, darüber hegt das Officiercorps nur eine Meinung. Doch wurde mir dadurch die Sache verleidet und ich nahm meinen Abschied. Bei mir zu Hause ist, wie Sie denken können, großer Jammer, denn . . . wahrscheinlich wissen Sie, wie es in Thalwiese steht?«
    »Obgleich mit Ihrem Herrn Vater gespannt, durch mannigfache nachbarliche, oder vielmehr höchst un nachbarliche Streitigkeiten, bin ich doch sehr genau unterrichtet . . .«
    »Dann werden Sie nicht staunen, wenn ich Ihnen eingestehe, daß es mich zu Hause nicht leidet. Ich treibe mich herum bis in die Nacht, ohne Plan und Zweck; ich schlafe sogar manchmal im Walde, um nur nicht an den Morgengesprächen Theil nehmen zu dürfen, die immer wieder aus alten Lamentationen über die traurigen Geldverhältnisse meines Vaters, in neue Anklagen über meine unterbrochene Laufbahn umschlagen. Wenn Du nur wenigstens ein fleißiger Landwirth werden wolltest, um zu retten, was noch zu retten ist! so lautet der Refrain jeglichen Klageliedes. Mich aber widert die Prosa des Ackerbaues nicht weniger an, als es die Prosa des Soldatenlebens im Frieden, und die damit verbundenen Quälereien unserer Lehrer an der Divisionsschule gethan. Ich sehne mich nach Poesie! Ich verschmachte danach! Und weil bei uns nicht einmal ein Buch zu finden wäre, um den Durst nur oberflächlich zu löschen, so bleibt mir wohl nichts übrig, als Einsamkeit zu suchen, die wenigstens nicht quält, wenn sie auch nicht erquickt.«
    Emil war ›wegen körperlicher Untauglichkeit zum Dienst‹ seiner Militärpflichten längst entbunden. Hätte der Arzt, welcher jenes amtliche Zeugniß ausgestellt, ihn jetzt wiedergesehen, es dürfte ihm schwer geworden sein, die ›Untauglichkeit‹ seines Clienten vor der Ersatzcommission noch einmal durchzufechten; denn aus dem schmalen Jüngling war ein gewaltiger Mann geworden. Doch dieser wurde nichtsdestoweniger fortwährend durch alle Tabellen und Verzeichnisse aus einem Jahr in's andere als ›Ganz-Invalide‹ weiter fortgeführt und bekümmerte sich, auf Schwarzwaldau gebietend, um nichts weniger als um den Grad wissenschaftlicher Bildung, den ein zu prüfender Cavallerie-Lieutenant inne haben müsse. Vielleicht wähnte er, daß die Herren Examinatoren überschwängliche Dinge verlangten; ohne zu erwägen, daß doch so Viele diesen Ansprüchen genügten, und daß Derjenige, der sie nicht zu erfüllen im Stande sei, mindestens unbeschreiblich faul genannt werden dürfe. Er gefiel sich in dem Gedanken, in seinem jugendlichen Nachbar einen nach Poesie Dürstenden entdeckt zu haben. Was er geahnet, erfüllte sich: er hatte gefunden, was er suchte, wonach seine Seele sich sehnte: einen Freund! Und einen Freund, wie er ihn brauchte. Nicht einen ihm gleichstehenden, selbstständigen, unabhängigen, jungen Mann, der mit bestimmten Ansprüchen und Zwecken auftretend, das Leben kennend, ein festes Ziel verfolgte und ihm bei vertrauterem Umgange vielleicht durch starken Willen und practische Ueberlegenheit unbequem werden konnte? durchaus nicht!

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