Schwarzwaldau
feuchten Walde! Aber Emil stellte sich, wie wenn er gar kein Schloß besitze, und Gustav, der Agnesen nie gesehen und sie für eine Art von Hausdrachen halten mochte, vermied jede Anspielung auf Emil's Ehestand; um so begreiflicher, weil in Thalwiese die Rede ging, alle Streitigkeiten zwischen beiden Häusern wären erst zum feindseligen Ausbruch gediehen, wie der Nachbar sich verheirathet. Durch diesen Rückhalt von beiden Seiten bestand die seltsame Gastfreundschaft, die Emil in seinem Walde darbot, bis spät in den October hinein. Eines schönen Tages, der auf einen tüchtigen Morgenfrost folgte, sagte denn endlich Gustav, indem er mit dem Kolben seiner Jagdflinte einige Restchen von Eis auf dem Grunde eines Grabens zerstampfte, daß es knirschte:
»Nun, mein Theuerer, werden unsere Sitzungen bald bedenklich; wir sind capabel am Boden festzufrieren. Wie wär' es, wenn wir einen andern Ort der Zusammenkunft bestimmten, der uns die Aussicht: auf einen alten würdigen Kachelofen eröffnet, in welchem einige Bestandtheile Deines schönen Waldes wärmend emporlodern? Hast Du nicht zufällig eine solche stille, trauliche Zuflucht im Bereich Deiner Besitzthümer? . . .«
»Ich habe mein – Wohnhaus,« antwortete Emil. Er hatte ›Schloß‹ sagen wollen, sich aber noch zeitig besonnen, daß den Sohn der Thalwieser morschen und zerfallenden Herrenhütte so stolzer Titel verletzen könnte. »Ich habe mein Wohnhaus,« antwortete er und erröthete dabei; weil er sich unmöglich verhehlen konnte, daß Gustav's Frage in ihrer scheinbaren Unbefangenheit doch einer wohlverdienten Rüge ähnlich sei.
»Mir ist nicht unbekannt,« fuhr Gustav fort, »daß Schwarzwaldau alle Schlösser in der ganzen Gegend übertrifft; ich bin als kleiner Junge selbst darin gewesen und glaube auch verschiedene Oefen wahrgenommen zu haben. Aber nach Deinem bisherigen Verhalten zu schließen, mußte ich voraussetzen, Du wünschtest nicht, daß ich es wieder beträte?«
»Das ist eine sonderbare Voraussetzung. Welche Gründe sollte ich . . .«
»Weiß ich's? Ehrlich gesprochen, gab ich mir auch weiter keine Mühe, sie zu ergrübeln. Doch können es mancherlei und verschiedene sein. Meine Eltern, – Deine Frau, – ich selbst – vielleicht schämst Du Dich meiner?«
Diese letzte Aeußerung glich einem Messer, welches man mit verbindlichem Scherze jemandem an die Kehle setzt. Fast entrüstet rief Emil aus: »Meines besten, meines einzigen Freundes sollt' ich mich schämen? Hältst Du das für möglich?«
»Warum nicht? Deine Frau darf auch vielleicht nicht wissen, daß Du uns Geld geliehen; sie soll nicht erfahren, wer es ist, dem Du den größten Theil Deiner Muße widmest; soll in mir den Sohn des Nachbars nicht erkennen, der mit euch processirt . . . .«
»All' das sind leere Voraussetzungen, Gustav; weder auf meine Frau anwendbar, noch auf die Stellung, die sie ihren eigenen Wünschen gemäß, in Schwarzwaldau einnimmt. Um dergleichen Angelegenheiten bekümmert sie sich nicht und ich bin unumschränkter Herr, was die Verwaltung unseres Eigenthums, wie die Entfaltung meines freien Willens betrifft. Daß ich Dich noch nicht aufgefordert habe, Dich bei mir einzustellen? . . mag es noch so seltsam klingen: mir war, als würde ein alltäglich gewöhnliches Zusammenkommen die Poesie vernichten, die unsere stillen Plätze im Walde umweht . . .«
Gustav unterbrach ihn: »Sie weht jetzt schon zu frisch; sie macht Eis!«
». . . Und dann . . . meine Frau hat Besuch; eine Freundin; seit einigen Monaten; ich besorgte, es könnte Dir unangenehm sein, mit dieser zusammen zu treffen; deßhalb . . .«
»Wie so? Kenn' ich sie? kennt sie mich? macht sie etwa gar Ansprüche an mich aus früherer Zeit?«
»Ich weiß nicht,« entgegnete Emil sichtbar verstimmt, »ob Du dergleichen überhaupt zu fürchten hast? Bei Demoiselle Caroline Reichenborn gewiß nicht. Sie kennt Dich nur schlafend – und da man, wie das Sprichwort behaupten will, im Schlafe nichts Böses thut, so hast auch Du wohl nichts gegen sie verbrochen.«
Es zeigte sich bald, daß Gustav keine Silbe mehr wußte von der Begegnung am kleinen Grenzteiche, oder Waldsee, deren nähere Umstände Emil ihm aus Carolinens Munde nacherzählte. »Ich bin immer zum Schlafen sehr geneigt, wenn es heiß ist, und die letzte Hälfte des vergangenen August zeichnete sich, wie Du weißt, durch Hitze aus. Die Schöne, – denn ich hoffe, Deine Gemalin ist selbst schön genug, um eine schöne
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