Schwarzwaldau
Busenfreundin neben sich zu dulden, – mag mir verzeihen, daß ich so faul war. Ich bin von Wind und Wetter abhängig. Wenn der Frost anhält, werd' ich munter sein, wie ein Schneekönig!«
»Aus Allem geht hervor,« sagte Emil nach ernsthaftem Bedenken, »daß Du den Damen vorgestellt zu werden wünschest und ich fühle mich verpflichtet, Deinen Wünschen nachzugeben. Ich werde Dich heute noch anmelden und morgen erwarte ich Dich zum Erstenmale in meinem Hause.«
»Du machst ein Gesicht dazu, wie wenn es Dir noch so sauer würde? Wäre gar etwas wie Eifersucht im Hinterhalte? Besorgst Du, ich könnte Dir bei dieser Caroline in den Weg treten? Denn daß Du auf Deine Frau nicht eifersüchtig bist, hab' ich genugsam aus Deinen Andeutungen über sie entnommen. Wie? Interessirst Du Dich für die Freundin des Hauses? Dann lasse mich lieber, wo ich bin, und melde mich gar nicht erst an. Ohne mein Verschulden könnt' ich da in einen Roman verwickelt werden. Und so gern ich geschriebene Romane lese, so ungern möchte ich in einem wirklichen mitspielen. Lasse mich also aus dem Spiele. Ich tauge überhaupt nicht für den Verkehr mit Weibern, – mit anständigen nämlich, wo ich mir Zwang auflegen muß.« –
Diese Gleichgiltigkeit Gustav's gegen seinen Eintritt in's Schwarzwaldauer Schloß trug so unverkennbar das Gepräge innerster Wahrheit und konnte so durchaus nicht Verstellung sein, daß Emil sich alsbald mit dem anfänglich widerstrebenden Gedanken versöhnte, den Waldfreund zum Hausfreunde zu machen. Eifersucht hatte er zwar empfunden; aber es war nicht die Eifersucht des Gatten, vielmehr jene der Freundschaft gewesen, welche befürchtet, durch eine Liebelei beeinträchtiget zu werden. Caroline hatte bei ihrer Ankunft den unbekannten Schläfer mit sehr lebhaften Farben gemalt. Daß sie nichts unversucht lassen werde, ihn zu ermuntern, ihn für sich einzunehmen, war für gewiß anzunehmen. Ob Gustav's Eitelkeit solchen Herausforderungen widerstehen könne, mußte sich nun erst ausweisen. Rückgängig durfte die Einladung, nachdem dieß Wort einmal ausgesprochen, nicht mehr gemacht werden. Es blieb also dabei: »Morgen läßt Herr von Thalwiese der jüngere sich bei Frau von Schwarzwaldau anmelden.« Und mit dieser Verabredung trennten sich heute die Freunde. Emil sagte den Erinnerungen an manche grüne Stunde im tiefen Walde wehmüthig Lebewohl. Gustav murmelte: »Gott sei Dank, daß diese sentimentale Zigeunerei vorüber ist!«
Zwölftes Capitel.
Je verschwiegener Emil über seine Zusammenkünfte im Walde geblieben war, um desto mehr mußte Gustav's erster Besuch auf die Damen wie etwas völlig Unerwartetes wirken. Caroline vermochte bei der Anmeldung ihre Freude nicht zu verbergen. Bei Agnesen zeigte sich ein fast entgegengesetztes Gefühl. Sie sah in dem Besuch eine Störung ihres Zusammenlebens mit Carolinen, deren uns bekannte Schilderungen eben nichts beigetragen hatten, den jungen Nachbar für ein belebendes Mitglied der Geselligkeit zu halten; die aber doch nicht ableugnen wollte, daß er ihr nicht gleichgiltig sei; im Falle nämlich, wie doch zu vermuthen stand, Jener und der Waldschläfer ein' und dieselbe Person waren! Agnes sah voraus, daß für sie nichts zu gewinnen, wohl aber die einzige Freundin zu verlieren sei. Und in so fern sah sie schon im Voraus den gemeldeten Gustav mit denselben Augen an, wie Emil Carolinen. Doch machte sich gleich von Anfang Alles besser, als zu erwarten stand. Gustav war verständig genug, sein Benehmen am kleinen Waldsee zuerst und unaufgefordert in's Gespräch zu ziehen. Er debutirte gewissermaßen mit einem reumüthigen Bekenntniß, woran sich die Nothwendigkeit knüpfte, ihn zu verspotten. Er that dieß mit so naiver Hingebung und benahm sich dabei so treuherzig, daß er dadurch die heiterste Laune um sich her verbreitete und die Damen zu lautem, herzlichem Gelächter aufregte. Die Schilderung seiner Faulheit und Schlaflust bei warmen Tagen klang wahrhaft ergötzlich; schonungsloser konnte kein Mensch gegen sich selbst verfahren; aber auch keiner konnte liebenswürdiger dabei erscheinen. Emil war entzückt über seines Lieblings ungezierte Natürlichkeit, welche durch instinctartigen, geselligen Tact sich auszeichnete. Caroline hörte aus jedem Worte seiner Entschuldigungen und Anklagen das Geständniß heraus, wie leid es ihm sei, erst so spät aus dem Schlummer aufzuwachen, der ihn verhindert, sie deutlich zu sehen. Und sogar Agnes ließ die düsteren Vorahnungen,
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