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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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welche sich ihrer bei Gustav's Eintritt bemächtigen wollten, gern fallen, um mit den Andern fröhlich zu werden.
    Für eine neue Bekanntschaft, aus welcher sich ein lang dauernder Umgang entwickeln soll, kann es wohl nichts Günstigeres geben, als wenn sie in den Spätherbst, in den Anfang des Winters fällt. Und nun gar auf dem Lande! Und nun gar erst in einem Schlosse, tief in großen immergrünen Wäldern liegend! Der liebe Schnee war so freundlich, in diesem Jahre nicht lange auf sich warten zu lassen. Er machte die Behaglichkeit der langen Abende vollkommen; denn es verstand sich ja von selbst, daß der Gast nicht mitten im trauten Gespräche aufbrechen und durch Novembersturm und Schlackerwetter eine Meile bis Thalwiese bei Nacht zurücklegen durfte. Es wurde ihm ein eigenes Gemach angewiesen, lediglich für ihn bestimmt, wozu er einen Nachschlüssel empfing, damit er ungehindert ein- und ausgehen könne, wie in seines Vaters Hause. Caroline hätte für ihr Leben gern Gewißheit darüber gewonnen, wie sich Gustav von Thalwiese zu dem reisenden Zweigespann verhalte, von dessen Abendunterhaltung durch Wort und Lied sie (in einem der vorigen Capitel) ihre Freundin unterrichtet. Doch wagte sie nichts Entschiedenes; sie fing an zu bezweifeln, daß der mittheilsam gewordene Seeschläfer auch zugleich der Zittauer Balladensänger sein könne, und fürchtete, ihn durch fragende Zumuthungen dieser Art zu erzürnen. Agnes hingegen, nur von ganz gewöhnlicher Neugier und von keinem persönlichen Interesse getrieben, ging der Sache geradezu auf den Leib. Sie erkundigte sich schon am dritten Abend, ob vielleicht Herr von Thalwiese musikalisch sei? Ich singe ein Bißchen, erwiderte Gustav. Emil zeigte sich sehr verwundert, von diesem Talente niemals vernommen zu haben? Worauf ihm die Antwort zu Theile wurde: im Walde stände kein Forte-Piano! Aber hier steht eines, rief Agnes, und öffnete das ihrige. »Eigentlich spiel' ich Guitarre,« sagte Gustav; »auf dem Claviere begleit' ich mich ziemlich unvollkommen.« Caroline wechselte verschiedene Blicke mit Agnesen, worauf diese weiter bat und drang, mit der Versicherung: die Stimme und der Vortrag wären ja die Hauptsache und auf eine Handvoll Noten, die auf den Teppich fielen, käme es ja nicht an. Emil's heftig ausgesprochenes Verlangen gab den Ausschlag. Gustav schleppte sich zum Instrument, wie ein halberwachsenes Rinderkalb zur Schlachtbank. »Der Teufel soll mich holen,« seufzte er, »wenn ich mich seit zwei Jahren geübt habe!« Abermals begegneten sich ausdrucksvolle Blicke der Freundinnen. Kaum jedoch war die erste Strophe erklungen, als Caroline Agnesen zuflüsterte. »Mit diesem Liede hat er auch damals begonnen; er ist es.«
    Von Schule und Ausbildung konnte bei einem Naturalisten dieser Gattung die Rede nicht sein. Aber die Stimme war angenehm, kräftig, die Art zu singen weder weichlich noch geziert: die Articulation klar und deutlich. Emil lobte laut, was zu loben war. Auf Agnesen, die doch früher ihre entschiedene Abneigung wider Tenorgesang gegen die Freundin ausgesprochen, machte das Lied eine so tiefe Wirkung, daß sie stumm blieb und durch lauschendes Schweigen allein unwillkürlich aufforderte, weiter fortzufahren. Es ging dem Sänger, wie es den meisten Dilettanten ergeht. Anfänglich können sie sich schwer entschließen, zu beginnen; haben sie begonnen, können sie sich noch schwerer entschließen aufzuhören. Er gab zum Besten, was er nur im Gedächtniß mit sich führte. »Weiß Gott, das vollständige Concertprogramm,« sagte Caroline halblaut.
    Gustav fuhr auf: »Von welchem Concertprogramm reden Sie, mein Fräulein?«
    Sie rückte mit der Wahrheit heraus, zu Emils allerhöchstem Befremden. Auf so poetisch-romantischen Irrwegen hätte seine Phantasie den ehemaligen Fähndrich nimmermehr gesucht!
    Dieser sperrte sich keinesweges dagegen; mit seiner freimüthigen Derbheit sprach er lachend: »Vor meinem Examen würde ich das Blaue vom Himmel herunter gelogen haben, ehe ich mich zu so dummen Streichen bekannt hätte; jetzt, wo ich mit Trompeten und Pauken durchgefallen bin, warum soll ich da noch Rücksichten nehmen, die zu nichts mehr führen? Ja, ich war es, der einen theaternärrischen Schulfreund auf einer sogenannten Kunstreise durch musikalische Zwischenspiele unterstützte, so weit meine Lieder reichten und so weit wir ohne gehörige Pässe kamen. Da man uns dieses unschuldige Handwerk legte, ging der Andere unter die Comödianten und ich ging

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