Schwarzwaldau
ja, Gustav's Ton war es wohl, der bis in ihr Herz bebte. Aber giebt es nicht auch abgeschiedene Geister, die um Verzeihung flehen, damit sie Ruhe finden? Hatte er nicht sträflich genug an ihr gehandelt, daß er, dafür büßend, umgehen sollte nach seinem Tode?
Armes Gespenst! Und es flehete so inbrünstig. Es lag auf den Knieen vor ihr, recht wie ein lebendiger Anbeter. Es drückte eine so warme Wange an ihre heißglühende. Ueber's Grab hinaus dürfen gekränkte Eitelkeit und Groll nicht dauern.
»Ja doch, ich verzeihe! Finde Ruhe im Grabe!« stammelte sie.
»Nur an Deiner Seite!« sagte er.
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Seine Prager Angelegenheiten sind zu Herrn Reichenborn's vollständiger Zufriedenheit geregelt und die Familie rollt heiter und guter Dinge nach Teplitz. Der Vater, voll Zuversicht, daß in lauen Heilquellen sein Wohlsein sich befestigen werde; die Mutter im Gefühl ihres Sieges wegen der Wahl, welche Caroline vielleicht treffen wolle, und des Gatten unbedingte Einwilligung im Hinterhalt; die Tochter . . . beseliget durch die Erlösung eines Nachtgespenstes, dem nun wieder des hellen Tages Sonne lächeln wird. Denn was könnte ferner noch den Bewerber um ihre Hand abhalten, offen und ehrlich als solcher aufzutreten?
Sie hatten sich denn eben erst häuslich eingerichtet und durchwandelten zum Erstenmale den schönen Baumgang beim Cursaale, da zeigte sich bereits im Gewühle Herr von Thalwiese, der alsogleich die Dresdner Bekanntschaft mit Carolinens Eltern erneuerte. Bald war er ihr unzertrennlicher Begleiter. Nach drei Tagen schon galt der hübsche Mann für des reichen Kauzes bestimmten Schwiegersohn. Viele schöne Mädchen zuckten die Achseln, über welche sie die Braut ansahen und zischelten sich zu: »Geld zieht!« Viele junge Herren meinten: »Der Bengel hat ein Pferdeglück; erwischt eine solche Erbin!« An Neid fehlte es auf beiden Seiten nicht; eben so wenig als an Lästerungen; was jedoch geselliger Freundlichkeit durchaus keinen Eintrag that; im Gegentheil. Und warum hätt' es in Teplitz anders zugehen sollen, als in der ganzen Welt? Es fehlte also auch nicht an wohlwollenden Personen verschiedenster Gattung, die sich angelegen sein ließen, dem Chef der Familie Reichenborn Verdacht gegen Herrn von Thalwiese zu erregen. Leider fehlte es eben so wenig an Stoff dazu. Einige, die Gustav aus seiner verschwenderischen Epoche nach Agnesens Tode kannten, sagten ihm nach, daß er das Geld mit vollen Händen durch's Fenster werfe, daß er ein wüster Schwelger sei. Andere wieder, welche ihm während der letzteren Monate nahe gekommen, versicherten, der junge Mensch lebe sehr dürftig und sei gänzlich herunter. Caroline und ihre Mutter, ja sogar der Angeschuldigte selbst, hatten im Vereine dafür gesorgt, daß alle jene und noch schlimmere Gerüchte, anstatt hinderlich zu werden, vielmehr günstig und fördernd wirken mußten. Sie hatten Papa Reichenborn bei guter Zeit zum Vertrauten, zum Mitwisser gemacht; hatten ihm Gustav's Noth, die Noth seiner verwitweten Mutter, das von Schulden belastete, gänzlich vernachlässigte, doch durch genügende Beihilfe leicht in Flor zu bringende Thalwiese so lebhaft ausgemalt; hatten dabei so viel vom Grenzsee am Walde geredet, wo die Liebenden sich zuerst gesehen; hatten im alten Herrn ein Gelüsten erweckt, sich mit klingenden Summen auf die Landwirthschaft zu werfen; der Subhastation durch einen Kauf aus freier Hand zuvorzukommen; Thalwiese in ein Paradies umzuwandeln; in diesem Paradiese den Rest seiner Tage zu verleben, als ›Rittergutsbesitzer,‹ (wie man es damals noch nannte,) und durch entsprechende Protectionen zu erreichen, daß er sich ›Herr von Thalwiese‹ nennen und nach seinem Ableben frisch geadelt neben die verstorbenen Träger dieses Namens in die Gruft gestellt werden könne. Ja, solch' ein lächerlicher Schwindel hatte dem sonst höchst practischen Rechnungsmanne seinen klaren Kopf umnebelt. Er vernahm es gern, wenn Gustav davon sprach und die sichersten Wege bezeichnete, auf denen in der Residenz die Sache durchgesetzt werden könne. Mama lächelte im Stillen darüber und sagte ihrer Tochter: »Ihr macht meinen Alten ganz verdreht und es gehört meine sündliche Liebe für Dich dazu, daß ich nicht dazwischen fahre! Hat man so was erlebt!« –
Gewinnt ein im Comptoir ergrauter, sein bisheriges Dasein nur einem Zwecke widmender, jede Aeußerlichkeit verachtender Geschäftsmensch, in späteren Jahren erst dem Leben noch einige eitle,
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