Schwarzwaldau
thörichte Wünsche ab, so geschieht es wohl, daß er sich zu den seltsamsten Inconsequenzen verführen läßt. Dergleichen zu begehen, zeigte Herr Reichenborn sich äußerst willig und Gustav benützte die Umwandlung, sich dem Schwiegervater geradezu unentbehrlich zu machen. Ermattet von den Stürmen seiner jüngsten Vergangenheit, fand es der Heuchler nicht schwer, sich wie einen vollkommen Gebesserten, nach häuslichem Glück und dauernder, friedlicher Verbindung Trachtenden darzustellen; was ihm um so leichter wurde, je weniger für den Augenblick der Badeort an gefährlichen Verführungen darbot. Die Curzeit Reichenborn's verging rasch, durch heitere Landparthieen in den reizenden Umgebungen von Teplitz belebt. Für Carolinen waren diese Wochen der Himmel auf Erden. Nichts störte ihr volles, überschwängliches Glück, außer bisweilen der Zweifel, ob es denn wirklich sei? ob sie nicht träume? ob sie nicht erwachen werde? Gram und Kummer, Bangen und Sehnen hatten reicher Wonne des Besitzes weichen müssen. Für sie gab es keinen trüben Tag, keinen kalten Regen, keine graue Wolke mehr. Sie glaubte sich geliebt, sie liebte; sie wollte, sie dachte, sie fühlte nichts Anderes.
Von Gustav läßt sich dasselbe nicht behaupten. Er liebte erstens nicht; nicht einmal in dem Sinne, wie er die Liebe verstand. Caroline reizte ihn nicht, er zwang sich zur Zärtlichkeit gegen sie und es bedurfte der ganzen Erinnerung an seine hoffnungslose Lage, um diesen Zwang mit täuschendem Erfolge durchzuführen, weil Agnesens Angedenken, – das einzige tiefere und heilige Gefühl dieses leeren Lebens! – seit der Sterbestunde der früh Vergessenen nie so mächtig in ihm erwacht war, als es jetzt that, wenn er ihrer Freundin vorlügen sollte, daß er sie eigentlich immer mehr geliebt habe, wie die Verstorbene.
Also er liebte nicht, die ihn liebte; er wollte nicht, was sie wollte; denn war auch sein Dichten und Trachten auf baldige Verheirathung gerichtet, gleich dem ihrigen, so wichen doch die Zwecke dieses Trachtens weit von einander ab.
Er dachte dabei an nichts, was eine glückliche Ehe begründen könnte; er dachte nur an die Mittel, die ihm zufallen würden, für ein bequemes, üppiges Leben. Dabei fühlte er sich ganz glücklich, – und was Caroline dann fühlen werde, wenn sie erst zur Besinnung gelangte, das war zunächst sein geringster Kummer. Dagegen drückte ihn ein anderer, auf dessen Beseitigung zu sinnen, das tägliche Bedürfniß ihn aufforderte. Jene Baarschaft, welche er zur Ausstattung für die Brautfahrt auf eine so zweideutige Art kurz vor der Abreise von Dresden (unter Form eines Darlehens) der sogenannten Fürstin abgeschwatzt, ging auf die Neige und Papa Reichenborn durfte nichts davon gewahr werden: er mußte seinen künftigen Eidam für einen zwar verarmten, aber dennoch stets in kleinen Ausgaben geordneten Menschen halten, der um keinen Preis Schulden machen wolle. Was sollte nun geschehen? An Ort und Stelle sich Credit zu eröffnen, was ihm unter so vielversprechenden Auspicien als Bräutigam einer so reichen Erbin leicht geworden wäre, schien höchst gefährlich; denn Neider und Neiderinnen konnten dahinter kommen und ihn verrathen. Von der Fürstin, die er bei Nacht und Nebel gemieden, ohne einen Grund dafür anzugeben, stand nichts mehr zu erwarten; vielmehr verbot ihm Vorsicht durchaus, die leidenschaftliche Frau auf seine Spur zu leiten; sie wäre toll genug gewesen, ihm zu folgen, ihn aufzusuchen und als zwiefacher Gläubiger aufzutreten!
Er befand sich in peinlicher Verlegenheit, die letzten Thaler schwanden, und schon war er auf dem Puncte, sich seiner Braut zu entdecken, obgleich mit Widerstreben gegen die demüthigende Abhängigkeit, die ähnliche Geständnisse und Bitten leicht herbeiführen; – da ward ihm Beistand durch eine abermalige Zuschrift seiner Mutter. Die arme Frau schilderte ihre Lage als nicht länger haltbar; man bedrohte sie mit persönlichem Arrest, wenn sie nicht wenigstens über drei tausend Thaler sogleich disponiren könnte. Gustav ließ sich angelegen sein, die Drei der mit Zahlen geschriebenen Summe in eine hübsche, deutliche Fünf zu verwandeln und verlor dann den Brief so geschickt, daß Caroline ihn finden mußte. Es entstand, da sie aus der Niedergeschlagenheit ihres Bräutigams schon errathen hatte, was ihn bedrücke und, Vertrauen fordernd, lesen wollte, was er ihr eigensinnig verweigerte, eine Art zärtlicher Katzbalgerei zwischen ihnen, die er zu
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