Schwarzwaldau
sehr, wie Sie meinen; wenigstens nicht in Ihrem Sinne. Erbärmlich wär' es, weil es dumm wäre; nutzlos. Was die tugendhaften Menschen Schandthat heißen, wird erst dazu durch den Mangel an Klugheit. Nur der Dumme, wenn er schlechte Mittel anwendet, wenn er für thörichte Zwecke das Aeußerste wagt, sinkt zum gemeinen Verbrecher herab. Sie sind klüger als ich in Allem, was gelernt werden kann. In Allem, was man mitbringt, was sich aus angeborener Naturkraft entwickelt, bin ich Ihnen überlegen; bin ich klüger wie Sie. Morden – aus innerstem, unverlöschlichem Rachedurst, wie wir Beide ihn gegen den Herrn Grenznachbar hegen, – das ist natürlich, menschlich, erlaubt, wie jede Selbsthilfe, wo das Gesetz die seinige versagt. Nur muß man's klug anfangen. Sich zu solcher Selbsthilfe bekennen, sich als Mörder fangen, sich den Kopf dafür abhauen, oder sich, wenn's gnädig abläuft, auf Lebenszeit dahin konfiniren lassen, wo ich meinen Namen Sara mir holte, ist nicht erlaubt, eben weil es dumm wäre. Unnatürlich, unerlaubt dumm! Ich nahm einmal aus einem Ihrer Bücherschränke, unter andern Büchern, welche ich auf mein Jägerzimmer – Gott verdamm' es! – trug, ein Schauspiel, nach, ich weiß nicht welchem, spanischen Dichter in unsere Sprache übersetzt. Es hieß: ›Geheime Rache für geheimen Schimpf.‹ Und die Moral dieses Drama's lautete:
›Denn Rache schreit mit tausend Zungen aus,
Was die Beleid'gung kaum mit einer sagte!‹,
»Diese Moral wollen wir zu der unsrigen machen. Und Herr Calderon de la Barca – jetzt fällt mir sein Name ein, wo ich ihn brauche, – mag sie verantworten. Geheimniß bleibe Gustav's Frevel. Was er davon bis jetzt ausgeschwatzt, verläuft wie das Bächlein in den Strom, – in den Strom des rauschenden, wechselnden Lebens. Wird den drei Lumpenhunden sein Tod bekannt, – was übrigens nach meinem Plane nicht so rasch eintreten dürfte, – so sollen sie, das ist ebenfalls meine Sorge, auf eine fern von uns abliegende Veranlassung des Mordes schließen. Ehe Lucie, (die auf dem Sprunge steht,) sich aus dem Staube macht, wird sie Mancherlei plaudern, was uns Beide nicht berührt und dennoch nach Rache schmeckt. Das ist abgemacht und gilt nur Denjenigen, die sich persönlich für ihn und wahrhaft interessiren; also zunächst Carolinen. Daß er dieser schon vor der Hochzeit Alles aus Schwarzwaldau vertraut habe, ist nicht anzunehmen. So tolldreist war er nicht. Er wird sie bei dem gelassen haben, was sie aus eigener Anschauung wußte, und das schadet nichts. Nach der Hochzeit soll er ihr keine Entdeckungen machen, wenn geschieht was ich will. Was ich will aus Haß, was Sie wollen aus beleidigter, verrathener Liebe und Freundschaft, die denn auch Haß wird und als dieser nicht minder nach Rache lechzt, wie der meinige. Sie trösten sich mit dem Gedanken, und ich raube Ihnen diesen Trost nicht, daß Ihre Motive edler, begründeter sind, als die meinigen; daß Sie berechtiget sind zur Rache, während ich nur dem niedrigeren Antriebe noch nicht unterdrückten Neides, gemeiner Eifersucht folge? Gleichviel! Unser Ziel bleibt ein gemeinsames. Wir müssen es gemeinsam verfolgen, soll es sicher und gewiß erreicht werden. Ihnen fehlt Besonnenheit, Umsicht, Kraft, Ausdauer. Diese Eigenschaften besitze ich. Wollen Sie Sich mir unterordnen? Wollen Sie blind gehorchen und gehorsam folgen, wohin ich Sie leite?«
»Ich will! Sei der Rache-Engel, der meiner Seele Höllengluthen mit Blute löscht! Stähle mich durch Dein Beispiel! Ja, ich will mich an Dich halten, wie ich Dich jetzt umklammere; wie ich Dich nicht lasse, bis er kalt ist, kalt und stumm auf ewig!«
»So hören Sie! . .«
Und das leise Gespräch ging über in unvernehmbares Flüstern, von Lippe zu Lippe, von Ohr zu Ohre.
----
Am nächsten Morgen fuhr Gustav von Thalwiese, ehe noch die Andern ihre Räusche ausgeschlafen, wirklich mit Sonnenaufgang aus dem Thore des Gasthofes.
Etliche Minuten später setzten sich die Herren aus dem Elsaß in ein ähnliches Fuhrwerk, die Spur des ersteren immer in gewisser Entfernung einhaltend.
Um zwölf Uhr Mittags waren die endlich Erwachenden nicht wenig erstaunt, von der in Wahrheit erfolgten Abreise ›ihres Freundes‹ zu hören.
»Hat uns aber der alberne Bengel gestern angelogen!« sagte Miß Viola.
»Wenigstens hab' ich ihm dafür einen bittern Trank eingerührt,« meinte der Baron. »Mein Briefchen wird jetzt bald in ihren Händen sein, und er soll seine ganze Suada
Weitere Kostenlose Bücher