Schweinehunde / Roman
lebende Legende beruhte in erster Linie auf der Tatsache, dass er es perfekt verstanden hatte, mit der Presse umzugehen, die ihn daraufhin zu einer Ikone stilisiert hatte. Dabei hatte seine revolutionäre Idee einfach nur darin bestanden, die Journalisten wie Menschen zu behandeln. Eine Kunst, die er an seinen Nachfolger nur bedingt hatte weitergeben können.
Kasper Planck ging ohne Bedenkzeit einen Qualitätsverlust ein und opferte einen Bauern im Zentrum des Spielfeldes.
»Warum willst du eigentlich, dass ich dir bei der Aufklärung von deinem Massenmord helfe, Konrad?«
»Du hast nach deiner Pensionierung doch schon bei ein paar Fällen geholfen. Das ist doch nichts Neues.«
»Unsinn. Du hast mich bislang noch nie um Hilfe gebeten. Und ganz sicher nicht offiziell.«
»Elvang hielt das für eine gute Idee.«
»Wieder so eine blödsinnige Antwort.«
Konrad Simonsen wusste, dass er Kasper Plancks besondere Fähigkeiten bei diesem Fall brauchte, der sich so deutlich von all seinen bisherigen Fällen unterschied. Immer wieder hatte sein alter Vorgesetzter eine schon fast unangenehme Intuition an den Tag gelegt, wenn ein Fall kompliziert geworden war. Planck fasste die Ermittlungsergebnisse häufig anders und präziser auf als der Rest der Menschheit, und sollte so etwas wie ein sechster Sinn existieren, dann besaß er ihn ohne Zweifel. Die verwinkelten Gehirnwindungen des Alten schienen immer die eine oder andere parallele Unmöglichkeit als Kontrast zu der traditionell nicht sonderlich kreativen Linie der Polizei zuzulassen.
Sie spielten ein paar Züge, bis Konrad Simonsen leise sagte: »Als sie die Leichen aus dieser Turnhalle trugen, ging es mir wie in den ersten Monaten nach deiner Pensionierung, und …«
Die Pause zog sich immer mehr in die Länge, und Kasper Planck warf schließlich sarkastisch ein: »Nimm dir Zeit, die Nacht ist noch jung.«
»Also ich habe mich nach etwas Handfestem gesehnt, nach etwas Aufbauendem, wenn du verstehst, was ich meine. Zum Beispiel nach der Zuversicht, die Täter zu kriegen, was auch immer geschehen sollte. Dabei sind meine Gedanken eigentlich nur um das Gefühl gekreist, allein zu sein, und das ist bis heute nicht gerade besser geworden.«
»Hm.«
Konrad Simonsen dachte, dass ihre gemeinsame Arbeit vielleicht schon zu lange zurücklag, andererseits wusste er, dass Gefühle nicht gerade die starke Seite seines früheren Chefs waren. Und seine wohl auch nicht.
»Klingt das sehr dumm?«, fragte er vorsichtig.
»Ja, das kann man wohl sagen«, erwiderte Planck.
»Aber verdammt, wer zum Henker baut denn ein ganzes Podium auf, um fünf nackte Menschen hinzurichten? Und dann auch noch in einer Schule.«
Kasper Planck nickte langsam.
»Tja, genau das müssen wir herausfinden.«
Der Plural wärmte ihn ein bisschen. Genau darauf hatte er gehofft. Er trank einen Schluck Cognac, der seinen Rachen angenehm warm werden ließ. Dann konzentrierten sich beide wieder auf das Schachbrett.
Mitten im Spiel, sie hatten in etwa die gleichen Positionen eingenommen, warf Kasper Planck wie beiläufig ein: »Ich habe heute übrigens eine neue Freundin gefunden.«
»Aha, wer ist die Glückliche?«
»Ich glaube, dich interessiert eher, was sie ist.«
»Was ist sie denn?«
»Journalistin beim
Dagbladet.
Sie war heute Nachmittag drei Stunden hier. Wenn wir Glück haben, sind wir beiden morgen auf der Titelseite.«
Konrad Simonsen rutschte die Figur aus den Fingern, die er gerade geschlagen hatte, und er musste sie vom Boden aufheben. Die Unterbrechung dämpfte seine spontane Reaktion, und er versuchte, seine Verärgerung in den Griff zu bekommen.
»Ich würde mir wünschen, du würdest erst mit mir reden, bevor du zur Presse gehst.«
»Ich hatte doch nicht im Traum damit gerechnet.«
»Tja. Das wäre aber wichtig. Also, wer ist sie, und warum ist sie so interessant?«
»Anita Dahlgren, eine junge Kollegin von … na rate mal.«
»Oh, nein, das ist doch nicht dein Ernst.«
»Beruhig dich, sie kommt mit Anni Staal ebenso wenig zurecht wie du. Vielleicht sogar noch weniger.«
»Das ist kaum möglich. Aber warum ist sie überhaupt zu dir gekommen?«
»Ihre Chefin weiß, dass du mich in die Ermittlungen mit einbezogen hast. Sie wollte eine Story darüber machen.«
Konrad Simonsen seufzte. Die Ausrichtung des Artikels war nicht schwer zu erraten, aber das würde er schon überstehen. Schlimmer fand er allerdings, dass seine Abteilung allem Anschein nach undicht wie ein Sieb war,
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