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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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englischen Soldaten vorstellen, das sie beim Anblick dieser Flut von Männern in Hemden empfunden hatten, die Brustpanzer aus gehämmertem Leder trugen und sich mit nackten Beinen und Füßen auf sie stürzten, während sie Kriegsschreie wie wilde Tiere ausstießen.
    »Wir waren nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt«, sprach er langsam weiter, als erlebe er das ganze Schauspiel noch einmal. »Sie hatten ihre Musketen gegen uns abgefeuert, und der Mann neben mir war gefallen. Es war Angus MacKean aus Inverrigan, aber ich konnte nichts für ihn tun. Wir mussten weiter nach unten laufen und über diejenigen, die fielen, hinwegspringen. Wir mussten die Sassanachs erreichen, bevor sie Zeit zum Nachladen hatten. Das war unsere einzige Chance. Der Abstand wurde rasch geringer... Die Rotröcke versuchten verzweifelt, ihre Bajonette auf die Läufe ihrer Musketen aufzusetzen, aber es war bereits zu spät. Wir waren über ihnen...«
    Er unterbrach sich. Seine Muskeln spannten sich unter meinen Fingern an. Ich legte die Lippen auf seine feuchte Haut, schlang den Arm um seine Taille und zog ihn an mich.
    »Fraoch Eilean «, murmelte er mit rauer Stimme.
    »Fraoch Eilean ? Die Insel der Heide?«, fragte ich und zog eine Braue hoch.
    »Das ist unser Schlachtruf. Jeder Clan besitzt einen eigenen.«
    Er umfasste meine Hände und zog sie auf seine Brust. Ich spürte, wie sein Herz schlug.
    »Danach verschwimmt alles... als hätte ich mich in der Haut eines anderen befunden. Ein unbändiger Drang zu überleben
hatte Besitz von mir ergriffen. Das wilde Dröhnen der Dudelsäcke trieb uns voran und übertönte die Trommelwirbel der Sassanachs. Die Musik gab den Rhythmus vor, ließ unser Herz schneller schlagen und segnete das Blut, das wir vergossen. Das Klirren von Metall auf Metall hallte bis in unsere Knochen. Es war das vollkommene Durcheinander, eine furchteinflößende, misstönende Anhäufung von Klängen. Die Offiziere brüllten Befehle und sorgten dafür, dass niemand zurückblieb. Die anderen um jeden Preis vernichten, so lautete unsere Mission. Die Begeisterung triumphierte über die Angst. Das Töten war zu unserem Credo geworden. Es wurde niemand verschont. Das Pochen meines Herzens in den Ohren beruhigte mich, denn es sagte mir, dass ich noch am Leben war. Doch der Feind war ebenfalls lebendig, und zu meinem eigenen Schutz musste ich ihn vernichten... Eine Frage des Überlebens. Sieg oder Tod, etwas anderes war nicht möglich.«
    Den Kopf an seine Schulter gelegt, verzog ich empört den Mund.
    »Mackay hatte uns eine Armee zum Fraß vorgeworfen, deren Mehrheit offensichtlich noch nie die Waffen mit dem Feind gekreuzt hatte. Manche waren gerade eben dem Jugendalter entwachsen, vielleicht sogar noch Kinder. Wer nicht unter den Hieben von Äxten oder Schwertern gefallen war, flüchtete und wurde bis in die Wälder verfolgt. So etwas hatte ich noch nie erlebt; das war ganz etwas anderes als die Überfälle auf die Ländereien von Argyle, wo bei den Scharmützeln im schlimmsten Fall ein oder zwei Männer umkamen und man ein paar Kratzer davontrug... In Killiecrankie watete ich in dem Blut, das aufzusaugen die Erde keine Zeit hatte. Du musst überleben, überleben! Für die Menschen, die auf dich warten, für deinen König, für dein Land... Diese Worte sagte ich mir immer wieder, während ich, auf dem klebrigen Gras ausrutschend, bald einem Schwerthieb auswich, bald die tödliche, blutrot glänzende Spitze eines Bajonetts abwehrte, die auf mich zukam. Unaufhörlich, gnadenlos fuhr mein Claymore auf die Gegner und ihre entsetzten, vom Pulverdampf geschwärzten Gesichter nieder, spaltete Schädel und durchschlug einmal einen Körper bis hinunter zur Leiste, wo
der Stahl sich im Hüftknochen verhakte. Mit einem Grauen erregenden Knirschen zog ich ihn heraus, um weiter zu kämpfen. Die Klinge, die in den letzten Sonnenstrahlen glänzte, wirbelte herum, schnitt, durchbohrte Leiber. Dann, plötzlich, tauchte der Tod vor mir auf. Ein Offizier stürzte sich mit dem Schwert in der Hand auf mich. Ich hatte keine Zeit, mich umzudrehen und den Hieb abzuwehren, und schrie vor Schmerz, als der Stahl mir die Haut auf dem Rücken entzweischnitt, von der Schulter bis zur Hüfte. Dann fiel ich...«
    Unter meinem Finger, der auf dem Hautwulst lag, konnte ich seinen Schmerz beinahe spüren. Liam sprach jetzt gedämpfter, zögernder, als suche er in seinem Gedächtnis nach den Brocken, den Fetzen der Erinnerung an diese Schlacht, die für

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