Schwert und Laute
genau, was ich gesehen und gehört habe.«
Er rieb sich das Kinn und zog ratlos die Augenbrauen zusammen.
»Wir könnten doch überprüfen, ob man in Dochart möglicherweise eine Leiche gefunden hat«, warf einer der Männer ein.
»Ja, ganz richtig!«, überschrie ihn ein anderer. »Vielleicht ist es Allan Macdonald, der mit den Pachteinnahmen aus Inverroy verschwunden ist.«
Eine Woge der Zustimmung rollte durch die Versammlung, in der inzwischen helle Aufregung herrschte.
»Habt Ihr gesehen, was sie mit der Leiche getan haben?«, fragte Donald.
»Sie haben sie in den See geworfen.«
Sofort kam Stimmengewirr im Saal auf. Einige Männer schüttelten den Kopf, andere forderten mit hoch erhobener Faust Rache. Die Wogen der Aufregung schwappten hoch. John rieb sich die Augen; er wirkte besorgt.
»Es wird möglicherweise schwierig, ihn zu finden. Ihr müsst mit uns kommen, um uns die Stelle zu zeigen.«
Am nächsten Tag brach ich, flankiert von acht bis an die Zähne bewaffneten Männern, im ersten Morgengrauen auf. Mein Bruder, dem es gar nicht geschmeckt hätte, mich allein mit diesen Männern gehen zu lassen, die alle ziemlich finster aussahen, begleitete uns. In dichtem Nebel verfolgten wir unseren Weg zurück.
Glücklicherweise verzog sich der Dunst, kurz bevor wir den Platz erreichten, wo der Mord stattgefunden hatte. Die Männer schwärmten aus, um die Ufer abzugehen und den Wasserrand zu untersuchen. Nach fünf Tagen im Wasser musste die Leiche eigentlich an die Oberfläche gestiegen sein. Ich verzichtete allerdings darauf, an der Suche teilzunehmen, und zog es vor, unter einem Baum sitzen zu bleiben. Die Aussicht, mich Auge in Auge mit einer aufgeblähten Wasserleiche wiederzufinden, war wenig einladend.
Als die Sonne hinter dem Ben Lui unterging, fanden die Männer die Leiche unter einem alten Kahn ohne Boden, halb verborgen zwischen den hohen Wasserpflanzen. Es handelte sich tatsächlich um Allan Macdonald, den Tacksman von Inverroy für das Haus Keppoch. Die Männer erkannten ihn an seinem purpurroten Plaid und seinem abgebrochenen Schneidezahn.
Man rollte den Toten in sein Plaid und band ihn auf ein Pony. Zwei der Männer würden ihn zu seiner Witwe bringen. Wir traten bald den Rückweg an, denn wir verspürten nicht den Wunsch, uns allzu lange auf Campbell-Land aufzuhalten. Es wurde früher Morgen, ehe ich ausgelaugt und erschöpft einschlief.
Die Zeit verging langsam. Nachts schmähte ich Gott, weil er mir mein Glück nicht gönnen wollte, bei Tag ließ ich meinen Zorn an dem Hafer aus, den ich gnadenlos niedermähte, schlang beim Stricken meine Verbitterung in den Faden oder zerstampfte in der Destillerie meinen Schmerz zusammen mit der Gerste. Bei schönem Wetter zog sich mein Herz grundsätzlich in düstere Verzweiflung zurück, und ich schrie meinen Schmerz lautlos heraus. War das Wetter schlecht, dann hatte ich das Gefühl, dass der Himmel in mein Gefühl einstimmte, indem er sich mit Trauer überzog und mit mir weinte. Doch es war nicht sein Mitgefühl, das ich brauchte. Ich brauchte Liam...
Und dann, mit der Zeit, gewöhnte ich mich an dieses Leben, das ich mit einem Gespenst teilte. Ich hielt Zwiegespräche mit der Erinnerung an einen Mann, den ich geliebt hatte. Warum liebte ich ihn? Ich wusste es nicht. Gefühle können einen Menschen erschüttern,
quälen, Ansprüche an ihn stellen und ihn versklaven, aber sie geben niemals Gründe dafür an. Nachts wachte ich oft schweißüberströmt auf, immer noch zitternd nach einem flüchtigen Besuch meines Gespensts. Doch früh am Morgen ging das Leben wieder seinen Gang...
Heute hatte ich beschlossen, den Tag all den Kleinigkeiten zu widmen, die durch meine lange Abwesenheit liegen geblieben waren. Patrick beauftragte ich, den Vorrat an Torfbrocken für den Kamin aufzustocken, denn der Stapel war erheblich geschrumpft. Jetzt stand ich vor dem großen Schrank, stellte eine Bestandsaufnahme der verderblichen Lebensmittel an und versuchte dabei, nicht an Liam zu denken. Sein Fernbleiben lastete grausam auf mir. Von morgens bis abends war ich recht gut in der Lage, meinen Verstand zu beschäftigen, denn es gab viel zu tun. Doch wenn ich mich zum Schlafen niederlegte, konnte ich nur die Leere umarmen und schlief unter Tränen ein.
Patrick hatte sich ausgezeichnet in das Leben auf dem Lande eingefunden. Er hatte sein schönes Hemd aus feinem Leinen gegen ein safrangelbes aus grob gewebtem Stoff eingetauscht, das ich ihm mit Sàras Hilfe genäht
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