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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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aber er behielt ihn auch auf Schritt und Tritt im Auge. Zum Glück wahrte Colin Abstand, so wie er es versprochen hatte. Zu meiner allergrößten Erleichterung.
    In meiner Nähe knackte ein Zweig. Argwöhnisch warf ich mich zur Seite. Ein Ast schnellte durch die Luft, ein Busch wippte. Ich griff nach meinem Dolch. Mein Herz klopfte heftig. Einer der Campbells? Zwischen den Bäumen nahm ich eine Bewegung wahr. Einen Schrei auf den Lippen, rappelte ich mich auf und wartete noch einen Moment. Nichts.
    Die Brise wellte das fette Gras, und zwei Meisen zwitscherten fröhlich. Die Natur war friedlich, doch es gelang mir nicht, mich
zu beruhigen. Ich spürte, dass ein Blick auf mir ruhte. Man beobachtete mich. Vorsichtig tat ich einige Schritte auf die Stelle zu, an der kurz zuvor der Ast durch die Luft gefahren war. Das Gras hinter dem Busch war hinuntergetreten. Jemand hatte sich an mich herangepirscht. Vor Angst zitterte ich am ganzen Körper. Ich wollte auf demselben Weg zurückgehen, als mein Blick auf etwas Glitzerndes fiel. Ich kniff die Augen zusammen und beugte mich über den Boden, und dann blieb mir fast das Herz stehen. Mein Spiegel. Also hatte ich ihn nicht verlegt. Er war mir gestohlen worden.
    Von Entsetzen überwältigt, warf ich panische Blicke um mich. Wer verfolgte mich? Es konnte nicht Ewen Campbell sein. Er wäre nie so dreist gewesen, in meinem Haus herumzuschnüffeln. Das wäre zu gefährlich für ihn gewesen. Isaak? Vielleicht. Er hatte gewiss nicht so leicht vergessen, dass ich am Unglück seiner Schwester schuld war. Zumindest teilweise...
    Ich betrachtete mein Bild in dem Spiegel, den ich aufgehoben hatte, und sah, dass ich nur noch ein Schatten meiner selbst war. Auf dem Rückweg drehte ich mich ständig um, denn ich hatte immer noch das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich raffte die Röcke und schritt schneller aus.

    Kaum hatte ich mich von meiner Aufregung erholt, ging ich zu Sàra. Im Moment segnete ich die Engelsgeduld, die Margaret, die Frau von Liams bestem Freund, aufbrachte. Sie beugte sich über meine Strickarbeit und versuchte verzweifelt, mir zu helfen. Ich zeigte wirklich keinerlei Talent für Handarbeiten. Auch Tante Nellie hatte das schon bemerkt und daher diese Dinge, die eine Frau wissen muss, gar nicht erst in meine Erziehung aufgenommen. Meine frühe Kindheit hatte ich damit verbracht, mit meinem Bruder durch die Gassen zu rennen, statt zu sticken oder zu weben, was wahrscheinlich erklärte, dass ich die frische Luft und das Abenteuer vorzog.
    Zu einigen Frauen aus dem Clan hatte ich freundschaftliche Bande geknüpft. Margaret stand mir besonders nahe. Sie sprach kein Englisch, wie überhaupt viele Talbewohner, sondern Ersisch, das vom Gälischen, wie man es in Irland spricht, abstammte. So
lernte ich ziemlich rasch die feinen Unterschiede zwischen unseren Dialekten kennen.
    Die Frauen bereiteten eine Babyausstattung für Maud vor, Angus’ Frau, die im kommenden Winter ihr drittes Kind erwartete. Mir hatte man aufgetragen, einen einfachen Schal zu stricken. Doch nach zahlreichen Versuchen war ich zu der Ansicht gelangt, dass ich mich lieber ans Nähen halten sollte, da ich es nicht einmal schaffte, zwei Reihen zu stricken, ohne einen Fehler zu machen.
    »Du hältst deine Wolle nicht richtig«, schalt Margaret freundlich. »Wenn du sie über den Zeigefinger laufen lässt... so..., dann fällt es viel leichter, sie um die Spitze der Nadel zu schlingen.«
    »Ich gebe auf, Margaret«, seufzte ich und legte die Strickarbeit in den Schoß. »Gebt mir lieber Nadel und Faden, das ist alles, was ich handhaben kann, ohne allzu viel falsch zu machen. Ich könnte ein Mützchen für das Kleine nähen...«
    »Dir fehlt es an Geduld«, tadelte mich Sàra.
    »Meinst du wirklich?«, fragte ich und schenkte ihr ein schiefes Lächeln voller Andeutungen. »Ich finde, dass ich unter den gegebenen Umständen ziemlich geduldig bin.«
    »Ja... so ist es wohl«, stotterte sie und runzelte die schmalen Augenbrauen.
    Ich stand auf, um mir ein wenig die Beine zu vertreten. Es war erst später Vormittag, aber es war so dunkel, dass wir Kerzen anzünden mussten, um bei unserer Arbeit etwas zu sehen. Der schottische Himmel war von wechselhaftem Temperament. Jetzt gerade hatte sich die Sonne hinter dunklen Wolken versteckt, die bedrohlich über dem Tal hingen. Ich lehnte mich an den Rahmen der offen stehenden Tür.
    »Wir könnten heute Nachmittag doch ein wenig Hafer schneiden. Er ist trocken, und ein

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