Schwert und Laute
Rand des Dorfs erreichte, drehte ich mich um. Er stand immer noch da, wie Zeus auf dem Olymp, und sein Plaid flatterte im aufkommenden Wind.
»Ach, Liam!«, seufzte ich.
Gepeitscht vom Regen, der jetzt in Strömen über dem Tal niederging, rannte ich nach Hause und polterte unter Patricks verblüfftem Blick hinein. Ich ließ mich an der Tür entlang zu Boden gleiten und stieß ein schmerzliches Stöhnen aus.
»Was ist geschehen?«, rief Patrick aus und kam zu mir gelaufen.
»Er ist zurückgekommen... Liam...«, seufzte ich.
»Oh! Dem Herrn sei’s gedankt!«, hauchte er und hob den Blick zum Himmel.
Später an diesem Abend, nachdem ich mich getrocknet und an dem Moorhuhn, das Patrick gebraten hatte, satt gegessen hatte, setzte ich mich in meinen Sessel am Feuer, das im Kamin brannte und den Raum in ein sanftes Licht tauchte. Draußen tobte schon seit Stunden das Gewitter, und ich wurde den Gedanken an Liam nicht los. Hatte er einen Unterschlupf? Hatte er gegessen? Ich hatte wohlweislich ein Stück Fleisch übrig gelassen...
»Ich werde im Stall schlafen.«
Ich fuhr zusammen, als ich Patricks Stimme hörte.
»Hier, nimm das«, sagte er und reichte mir ein dram Whisky. »Ihr beide müsst allein sein.«
»Nein, ich will nicht!«, rief ich erschrocken aus.
Mein Bruder warf mir einen zweifelnden Blick zu und leerte seinen Becher in einem Zug.
»Caitlin, Liam ist zurück. Da kann ich nicht...«
»Ich weiß ja«, erwiderte ich angriffslustig. »Aber nicht heute Nacht. Das ist zu früh. Ich muss erst Ordnung in meine Gedanken bringen. Er soll ruhig noch warten...«
Patrick ging vor mir in die Knie und sah mich fragend an. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich Angst vor diesem Mann hatte? Auf der einen Seite rief mein Körper jeden Tag lauter nach ihm. Und jede Nacht. Widerstreitende Empfindungen tobten in mir; ein heftiger Kampf zwischen Geist und Körper, Traum und Wirklichkeit, der Erinnerung und dem Unbekannten, das vor mir lag. Ich musste eine Entscheidung treffen...
»Und wie lange? Habt ihr beide denn noch nicht genug gelitten! Herrgott, Caitlin«, versetzte er gereizt, »sei doch vernünftig! Jede Nacht höre ich dich weinen. Du bist ihm böse gewesen, weil er bei der ersten Schwierigkeit davongelaufen ist. Aber was glaubst du, was du da gerade tust? Du flüchtest, siehst du das nicht? Du trittst die Flucht an, weil du weißt, dass es dir wehtun wird, ihn wiederzusehen. Ihr beide habt allerhand zu klären, und es ist höchste Zeit, dass alles das ein Ende hat!«
Er legte die Hand um mein Kinn und hob mein Gesicht zu ihm hoch.
»Hör auf dein Herz und öffne ihm die Tür... Du bestrafst nicht nur ihn, wenn du ihn in dieser Nacht nach draußen verbannst, und das weißt du.«
Meine Lippen zitterten, und ich schloss die Augen, um meine Tränen zurückzuhalten. Patrick stand auf, rollte die Decken seines provisorischen Strohsacks zusammen und ging dann in den Sturm hinaus. Der eiskalte Wind, der hereindrang, ließ mich erzittern, und ich zog mein Plaid fester um die Schultern.
Widerstrebend legte ich mich zu Bett, erschöpft von dem unablässigen Kampf mit meinem inneren Aufruhr. Selbst der Himmel schien mitspielen zu wollen und schimpfte, schleuderte Blitze
und donnerte. Doch ich gab nichts um seine Meinung. Ich wollte nur noch in meine Träume flüchten, denn allein dort fühlte ich mich lebendig.
Mein durchgeschwitztes, eiskaltes Nachthemd klebte mir am Leibe. Draußen gewitterte es weiter. Ein Albtraum musste mich geweckt haben, denn ich umklammerte immer noch die Laken, und mein Herz schlug viel zu schnell. Mir war kalt, so kalt... Ein Blitz tauchte das Zimmer in grelles Licht. Zitternd hüllte ich mich in mein Plaid und stieg aus dem Bett, um noch einen Block Torf aufs Feuer zu legen. Es war so kalt...
Auf der Schwelle der Zimmertür blieb ich wie angewurzelt stehen und sog vor Verblüffung heftig den Atem ein. Liam, der auf einem der Sessel eingenickt war, fuhr hoch und griff instinktiv nach seinem Dolch. Verstört sah er mir entgegen; dann erkannte er mich, stieß einen Seufzer aus und ließ die Waffe auf den Boden fallen. Seine hochgewachsene Gestalt, die von der roten Glut angestrahlt wurde, wirkte wie von innen beleuchtet. Die Anstrengung, die es ihn kostete, sich zu beherrschen, ließ seinen Atem laut und stoßweise gehen, und mir selbst erging es nicht anders.
Nachdem ich einen Moment lang unschlüssig dagestanden hatte, tat ich einige Schritte auf ihn zu und blieb in einer Entfernung
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