Schwesternkuss - Roman
Toten.
»Ich sollte mir von deinem Nachbarn mit den roten Fensterläden den Hausschlüssel geben lassen und mit dem Hund Gassi gehen.«
»Was für ein geschmackloser Scherz. Ich musste Bär heute einschläfern lassen.«
»Wie schrecklich.«
»Ich möchte nicht darüber reden. Hoffentlich stellt sie mir nicht nach. Was hat sie noch gesagt?«
»Ich soll die Marshall anrufen, damit sie alle Kreditkarten sperrt.«
»Tu das nicht. Sie will mich fertigmachen.«
»Sieht so aus.« Mary überlegte. »Aber warum ruft sie mich an und nicht dich?«
»Sie behauptet, sie wäre ich. Also kann sie mich nicht anrufen. Verstanden?«
»Und was hat sie vor?«
»Kriminelle Hochstapelei. Du warst ihr Versuchskaninchen. Zum Glück haben wir die Einstweilige Verfügung vorbereitet.«
»Wird sie im Büro auftauchen und behaupten, sie wäre du?«
»Könnte sein. Aber wir sind bereit.« Allmählich sah Alice einen Weg aus dem Schlamassel. »Du zeigst sie an wegen krimineller Hochstapelei. Schließlich hat sie dich angerufen. Ich mache gern eine Aussage, falls notwendig.«
»Verstanden.«
»Bereite die Papiere für die Einstweilige Verfügung vor, unterschreib sie und ruf bei Gericht an und bitte um einen schnellen Anhörtermin, Gefahr im Verzug.«
»Okay.«
»Sei ab sechs in der Früh erreichbar. Falls Alice anruft, geh nicht ran. Ihre Psychospielchen musst du nicht mitspielen und …«, Alice machte eine bedeutungsschwangere Pause, »Mary, ich mache dich zu meiner Teilhaberin.«
»Nein! Wie soll ich mich bedanken? Mein Gott, ich kann es kaum glauben.«
»Von nun an heißt die Kanzlei Rosato & DiNunzio.«
»Was für eine Ehre! Ich bin keine so hervorragende Anwältin wie du. Aber du hast mir alles beigebracht. Dir verdanke ich alles.«
Arschkriecherin. »Ein langer gemeinsamer Weg liegt vor uns.«
»Bennie, tausend Dank noch mal.«
»Dir habe ich zu danken.« Alice legte auf und ging zurück ins Schlafzimmer. Grady war bewusstlos; sein Kopf lag zur Seite. Aber jetzt, wo Bennie frei herumlief, konnte sie ihn nicht töten. Das wäre zu riskant – es gab jetzt größere Probleme.
Sie musste ihre Spuren verwischen, bevor es zu spät war. Wenn sie schnell war, könnte sie zurück sein, bevor Grady aufwachte. Und niemand – nicht einmal Bennie – könnte sie daran hindern, mit dem ganzen Geld das Land zu verlassen. Denn sonst wartete Q auf sie, der sie töten wollte.
Sie hastete die Treppe hinunter und rannte mit Bennies Kuriertasche aus dem Haus.
52
Ein riesiger Adrenalinstoß ließ Marys Finger über die Tasten ihres Laptops jagen. Sie war Teilhaberin! Ihr Name würde auf dem Kanzleischild stehen. Das war etwas ganz Besonderes. Sie fühlte sich aufgewertet. Wegen der Anzeige hatte sie bei der Polizei schon angerufen; morgen früh musste sie noch zur Unterschrift hin. In den Schriftsatz für die Einstweilige Verfügung hatte sie den falschen Telefonanruf aus dem Pellesburg Hospital eingearbeitet, was den Fall noch dringlicher machte. Einen genauen Präzedenzfall hatte sie allerdings nicht gefunden.
Sie ging auf die Website des Gerichts, um die Papiere via Internet einzureichen. Draußen wurde es schon hell. Sie streckte sich, die Zeiger der Uhr auf dem Nachttisch zeigten auf 5.30 Uhr. Um sechs sollte sie Bennie anrufen. Sie zog Pulli und Turnhose aus, stieg unter die Dusche und seifte sich ein. Zum Beinerasieren war keine Zeit.
Teilhaberinnen vergeuden ihre Zeit nicht mit Blödsinn.
Sie trocknete sich schnell ab, kämmte ihr Haar aus, rief beim Gericht an und hinterließ eine Nachricht mit der Bitte um einen sofortigen Anhörtermin. Dann rief sie Bennie an, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Ihr Herz schlug.
»Gut gemacht«, antwortete die falsche Bennie. »Ruf mich an, wenn du den Termin für die Anhörung hast. Wir sehen uns in der Kanzlei. Falls du Alice in der Nähe unseres Bürogebäudes siehst, mach einen Bogen um sie.«
»Sollten wir nicht einen zusätzlichen Security-Mann anmieten? Ich könnte bei Meyers anrufen.«
»Nein. In diesem Fall müssen wir stärkeres Geschütz auffahren. Wir brauchen eine bessere Security-Firma.«
»Ich kümmere mich darum. Wir sehen uns in der Arbeit. Bye.« Mary legte auf. Sie war glücklich. Ja, sie würde Bennie eine gute Partnerin sein.
Bevor sie aber ihre Kleider für das Gericht aussuchte, ging sie noch mal ins Badezimmer, um die Beine zu rasieren.
53
Das Gerede von Leuten auf dem Krankenhausflur weckte Bennie auf. Draußen schien schon die Sonne, es war also
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