Schwesternkuss - Roman
lachte so künstlich, als ob sie sich bei Bennie einschmeicheln wollte. Aber warum?
»Meine Füße könnten Heftpflaster oder Verbandszeug vertragen.«
»Habe ich. Und zwar das teure.« Tiffany eilte aus dem Zimmer. »Bin gleich zurück.«
Die Klimaanlage knatterte vor sich hin. Bennie fühlte sich wieder einigermaßen normal. Gedanken an Grady, Bär oder ihre Mitarbeiterinnen unterdrückte sie, sie konzentrierte sich allein auf Alice. Wenn ihre Schwester ihr Leben übernehmen wollte, dann ginge das trotz gestohlener Ausweise, Hausschlüssel und Scheckbücher nur für eine kurze Zeit. Sie könnte niemals eine Anwältin für eine längere Zeit spielen; außerdem würde sie das nie wollen – denn das war mit Arbeit verbunden. Und das Einzige, wofür sich Alice je interessiert hat, war Geld.
Bennie sprang vom Sofa auf, ging zum Laptop, räumte den Wust beiseite und setzte sich. Sie bewegte die Maus, so gut sie konnte, klickte sich ins Internet und ging auf die Website der USA Bank. Sie gab ihren Benutzernamen und ihr Passwort ein. PASSWORT UND BENUTZERNAME UNGÜLTIG , meldete die Seite nach einer Weile. Bennie hoffte, dass sie sich vertippt hatte. Aber dem war nicht so. Auch bei ihrem zweiten Versuch kam die gleiche Fehlermeldung, beim dritten Mal warf man sie aus ihrem Account heraus: BITTE KONTAKTIEREN SIE DEN KUNDENSERVICE WEGEN IHRER LOG-IN-DATEN .
Bennie versuchte, ihre Ängste im Zaum zu halten. Alice hatte wahrscheinlich ihre Passwörter in ihrer Rollkartei gefunden und sich so Zugang zu ihren Bankkonten verschafft. In Bennies Kopf ratterten die Zahlen vor und zurück. Drei Millionen Dollar waren sofort verfügbar, beim Rest war es ein bisschen schwieriger. Alice konnte mit dem Geld machen, was sie wollte – aber viel Zeit blieb ihr nicht, denn Bennie war wieder im Spiel.
»Hast du ein Handy?«, rief sie in die Küche.
»Klaro.« Tiffany kam mit einer Dose Bier und einem Sandwich zurück. Das Handy zog sie aus der Hosentasche. »Bedien dich. Tablette und Heftpflaster kommen noch. Alles auf einmal war mir zu viel.«
»Das hat Zeit. Kannst du mich kurz allein lassen?«
»Klaro. Ich rauche draußen eine Zigarette.« Tiffany ließ ihr das Handy da, und Bennie rief Marla Stone an, ihre Betreuerin bei der USA Bank.
»Hallo, Marla. Ich bin’s, Bennie Rosato.«
»O hallo.« Marla klang kühl. »Ich habe die Nummer nicht erkannt.«
»Ich rufe nicht von meinem Telefon an und …«
»Ich brauche zuerst Vollmacht und Passwort per E-Mail. Dann können wir über den Account reden.«
O nein. »Marla, ich bin’s, Bennie. Wir brauchen doch kein Passwort. Wir reden immer über meine Konten am Telefon.«
»Es tut mir leid. Ohne Passwort und Vollmacht läuft nichts.«
»Marla, meine Schwester gibt sich für mich aus. Du hattest mit ihr gesprochen.«
»Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
»Marla, aber ich bin wirklich …« Die Verbindung war unterbrochen. Bennie rief wieder an, ließ es läuten und läuten. Keine Antwort. Sie rief bei der Bankzentrale an und bat, mit dem Leiter des Private Banking verbunden zu werden.
»Es tut mir leid, aber Mr Baxter hat diese Woche Urlaub.«
»Mit wem kann ich sonst sprechen? Es handelt sich um einen Notfall.«
»Ms Rosato«, sagte die Dame aus der Zentrale, »ich habe Anweisung, alle Gespräche, die Ihre Konten betreffen, an Marla Stone weiterzuleiten. Möchten Sie mit ihr sprechen?«
»Das habe ich bereits. Sie konnte mir nicht weiterhelfen. Wem untersteht Mr Baxter?«
»Mr Baxter leitet das Private Banking. Wir sind ihm unterstellt.«
»Und wer ist der Präsident Ihrer Bank? Ich habe ihn bei einer Wohltätigkeitsgala kennengelernt. Heißt er nicht Ron Engel?«
»Es tut mir leid. Aber ich habe strikte Anweisung, alle Anrufe von Ihnen an Marla, und nur an sie, weiterzuleiten.«
Bennie legte auf. Wahrscheinlich bräuchte Alice zwei oder drei Tage, um ihre Konten leerzuräumen. Sie musste sie daran hindern. Aber wie? Sie konnte weder zur Bank noch zur Polizei gehen. Bennie war mit ihrem Latein am Ende.
Tiffany kam zur Tür herein, umweht von Zigarettenrauch. »Fertig mit Telefonieren?«
»Ja.« Bennie gab ihr das Handy zurück.
»Danke.« Tiffany ließ sich in die Couch fallen und setzte sich im Schneidersitz in Positur. Am Ende ihrer dünnen Beine zierten blaue Schmetterling-Tattoos beide Fußgelenke. »Schon eine Überraschung, dich auf der Flucht wiederzutreffen. Hab gehört, du hast einen festen Job. Seit dem Knast kommst du ganz schön rum in der
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