SdG 11 - Die Kochenjäger
alles zerschmettern willst, was sie glauben, in Wirklichkeit ihre Hilfe in Anspruch nehmen, um so etwas zu schaffen. Das klingt, als ob du nicht nur von deinem Vater Vergebung bräuchtest, Karsa Orlong.«
»Ich werde mir nehmen, was ich brauche, Hexe.«
»Warst du einer von den Sklaven in diesem Fischerdorf der Nathii?«
»Eine Zeit lang.«
»Und um zu entkommen – und ganz offensichtlich bist du entkommen –, hast du am Ende doch die Hilfe deiner Teblor-Kameraden gebraucht.« Sie nickte. »Ich verstehe, wie das wahrscheinlich an deiner Seele nagt.«
Er beäugte sie. »Du bist wirklich schlau, Samar Dev, hast entdeckt, wie alle Dinge so schön zusammenpassen.«
»Ich habe die menschliche Natur lange studiert – die Beweggründe, die uns leiten, die Wahrheiten, die uns heimsuchen. Ich glaube nicht, dass ihr Teblor euch in solchen Dingen sonderlich von uns unterscheidet.«
»Es sei denn natürlich, du gehst von einer falschen Vorstellung aus – einer, die zu der Schlussfolgerung passt, zu der du von Anfang an kommen wolltest.«
»Ich versuche nicht, mir Allwissenheit anzumaßen«, erwiderte sie.
»In der Tat.« Er gab ihr einen Fleischstreifen.
Sie verschränkte die Arme, weigerte sich, das Angebot jetzt anzunehmen. »Du deutest an, ich hätte eine Annahme gemacht, eine unrichtige Annahme, und würde daher zwar behaupten, dich zu verstehen, in Wirklichkeit aber nichts begreifen. Ein praktisches Argument, aber nicht besonders überzeugend, es sei denn, du würdest es genauer ausführen.«
»Ich bin Karsa Orlong. Ich kenne das Maß jedes Schrittes, den ich gemacht habe, seit ich ein Krieger geworden bin. Deine Selbstzufriedenheit beleidigt mich nicht, Hexe.«
»Jetzt wird der Wilde auch noch gönnerhaft! Bei den Göttern hienieden!«
Er bot ihr erneut das Fleisch an. »Iss, Samar Dev, sonst wirst du noch zu schwach, um dich zu empören.«
Sie starrte ihn düster an und nahm dann den Streifen Bhederin-Fleisch. »Karsa Orlong, dein Volk lebt mit einem Mangel an Kultiviertheit, der mit dem dieser Anibar hier vergleichbar ist. Es ist klar, dass die Bürger des Reichs der Sieben Städte einst in einem ähnlichen Zustand der Einfachheit und gleichmütigen Unwissenheit gelebt haben, von Vorzeichen heimgesucht wurden und auf der Flucht vor dem Unergründlichen waren. Und zweifellos haben wir uns ebenfalls komplizierte Glaubenssysteme ausgedacht, drollig und lächerlich, um all die Notwendigkeiten und Einschränkungen zu rechtfertigen, die uns durch den Überlebenskampf auferlegt wurden. Glücklicherweise haben wir all das allerdings hinter uns gelassen. Wir haben den Glanz der Zivilisation entdeckt – und du, Teblor, hältst immer noch an deinem unangebrachten Stolz fest, hältst deine Unwissenheit, was diesen Glanz angeht, immer noch für eine Tugend. Und daher verstehst du das große Geschenk der Zivilisation immer noch nicht – «
»Ich verstehe es sehr gut«, erwiderte Karsa Orlong kauend. »Der Wilde geht durch Verbesserungen in die Zivilisation – «
»Ja!«
»Verbesserungen hinsichtlich der Art und Wirksamkeit, wie man Menschen tötet.«
»Moment – «
»Verbesserungen der unanfechtbaren Regeln von Erniedrigung und Elend.«
»Karsa – «
»Verbesserungen der Methoden, jene Wilden zu demütigen, ihnen Leid zuzufügen und die Gemetzel an ihnen zu rechtfertigen, die zu dumm und zu vertrauensvoll sind, sich dem zu widersetzen, was ihr für unausweichlich haltet. Nämlich ihre Auslöschung. Wen von uns beiden, Samar Dev«, fügte er hinzu, nachdem er den Bissen hinuntergeschluckt hatte, »müssen die Anibar wohl mehr fürchten?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie und biss die Zähne zusammen. »Warum fragen wir nicht ihn?«
Bootfinder hob den Kopf und betrachtete Samar Dev aus verschleierten Augen. »In der gefrorenen Zeit«, sagte er mit leiser Stimme, »hat Elis Terr vom Ungefundenen gesprochen.«
»Elis Terr war kein Gott, Bootfinder. Er war ein Sterblicher mit einer Handvoll weiser Worte – es ist leicht, Warnungen auszusprechen. Dann tatsächlich dazubleiben, um jemandem zu helfen, sich auf das, was kommt vorzubereiten, ist eine ganz andere Sache!«
»Elis Terr hat uns Geheimnisse gegeben, Samar Dev, und so haben wir uns in der gefrorenen Zeit vorbereitet, und bereiten uns jetzt vor, und werden uns im Ungefundenen vorbereiten.«
Karsa stieß ein bellendes Lachen aus. »Ich wollte, ich wäre mit Elis Terr hierhergereist. Ich glaube, wir würden nicht viel finden, worüber wir uns
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