Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
Niemals! Und jetzt wissen Sie es auch. Sie müssen etwas tun.«
»Beruhigen Sie sich erst mal, Shirley.« Steve dachte kurz nach. »Okay, ich muss erst mal einen Anruf machen.« Er drückte ihr den Brief in die Hand.
Fünf Minuten später betrat eine Frau in schwarzem Anzug die Küche und bat Shirley, ihr zu folgen. Sie gingen in einen Teil des großen Hauses, den Shirley noch nie gesehen hatte. Sie schaute sich die vielen Leute an, die umhergingen, und musterte die Männer und Frauen, die mit stoischer Ruhe vor den Türen standen. Shirleys Mund war ausgetrocknet. Das waren die Leute, die man ständig im Fernsehen sah. Wichtige Leute. Shirley wäre am liebsten in die Küche zurückgerannt und hätte weiter an ihrer Obst- und Käseplatte gearbeitet.
Als sie das Büro der Frau erreichten, drehte diese sich plötzlich zu Shirley um und sagte streng: »Das ist ausgesprochen irregulär.«
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte«, erwiderte Shirley nervös. »Hat Steve Ihnen das denn nicht gesagt?«
»Jajaja. Wo ist der Brief?«
Shirley zog den Umschlag aus ihrer Tasche und gab ihn der Frau. »Lesen Sie selbst, Ma'am. Was hätte ich denn sonst tun sollen?«
Die Frau legte den Schlüssel auf ihren Schreibtisch, faltete den Brief auseinander und las ihn durch. Ihre Augen wurden mit jeder Zeile größer. Als sie fertig war, steckte sie Brief und Schlüssel zurück in den Umschlag. »Ich möchte, dass Sie wieder an die Arbeit gehen und vergessen, dass Sie das hier je gesehen haben.«
»Jawohl, Ma'am«, sagte Shirley. »Werden Sie ihr den Brief geben?«
Die Frau hatte bereits den Telefonhörer abgenommen. »Das braucht Sie nicht zu kümmern.«
Nachdem Shirley den Raum verlassen hatte, tippte die Frau eine Nummer ein und sprach schnell. Wenige Minuten später kam ein Mann, der noch strenger aussah als sie, und nahm den Umschlag in Empfang.
Der Mann eilte eine Treppe hinauf, durchquerte ein großes Foyer, lief einen Flur entlang und erreichte schließlich eine Tür, an die er leise anklopfte. Eine Frau öffnete, nahm den Brief und schloss die Tür wieder, ohne ein Wort mit dem Mann gewechselt zu haben.
Eine Minute später wurde der Brief auf den Schreibtisch der Frau gelegt, und die Tür wurde geschlossen. Die Frau war allein. Sie starrte auf den blütenweißen Umschlag.
Dann nahm Jane Cox den Brief heraus und las ihn. Der Schreiber formulierte kurz und prägnant. Wenn Jane Willa Dutton lebend und gesund zurückhaben wollte, dürfe sie den nächsten Brief, der kam, niemandem zeigen. Sollte die Polizei ihn in die Finger bekommen, würde er, der Schreiber, dies erfahren. Und sollte die Öffentlichkeit erfahren, was in dem Brief stand, würde dies alles zerstören. Und Willa Dutton würde es das Leben kosten.
Besonders einen Absatz las Jane sich mehrere Male durch. Da stand: Ich will das Mädchen nicht töten, werde es aber tun, sollte es notwendig sein. Der nächste Brief, den Sie erhalten, wird viel enthüllen. In mancher Hinsicht wird er sogar alles enthüllen. Sollte die Öffentlichkeit das herausfinden, wird für Sie alles verloren sein. Sie wissen, wovon ich spreche. Halten Sie sich an die Anweisungen, kehrt Willa wohlbehalten zu Ihnen zurück. Anderenfalls stirbt sie. Anders geht es nicht.
Der Schreiber informierte Jane darüber, dass dieser nächste Brief an ein Postfach in D. C. geschickt werden würde; die Nummer sei beigelegt. Dafür sei auch der Schlüssel.
Jane lehnte sich zurück. Schreckliche Angst breitete sich in ihr aus und lähmte sie beinahe. Sie griff nach ihrem Telefon, legte es dann aber wieder hin.
Nein, sie würde nicht anrufen. Noch nicht.
Sie schloss den Brief in ihrem Schreibtisch ein und steckte den Schlüssel in die Tasche.
Jane hatte in zehn Minuten einen Empfang für weibliche Gouverneure und andere Frauen in der Politik, die sich in der Hauptstadt zu einem Parteitreffen zusammengefunden hatten, um die Gesundheitsreform zu diskutieren. Jane würde ein paar Begrüßungsworte sprechen, die bereits sorgfältig ausformuliert am Rednerpult im East Room auf sie warteten. Sie hatte so etwas schon hundert Mal gemacht, und fast immer fehlerfrei. Normalerweise empfing das Weiße Haus jede Woche Tausende solcher Besucher; deshalb hatte sie sehr viel Übung darin.
Nun aber wusste Jane, dass sie ihre ganze Kraft brauchen würde, um zum Pult zu gehen, die Mappe aufzuschlagen und die Worte vorzulesen, die irgendjemand für sie geschrieben hatte.
Doch als Jane fünf Minuten später den Gang
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