Seelenbrand (German Edition)
denen ich nun schon die Leute unter die Erde bringe ... da ist es eigentlich noch nie vorgekommen, daß man für einen geliebten Verstorbenen überhaupt keine Grabstelle ... zum Andenken ... hergerichtet hat. Es gab natürlich Fälle ... ich erinnere mich da zum Beispiel an einen Schäfer, der in eine Schlucht gestürzt war und zwar an einer Stelle, die absolut unzugänglich war ... den armen Kerl haben wir nie wiedergefunden ... ich habe damals dann so eine symbolische Beerdigung durchgeführt.« Er dachte angestrengt nach. »Hm ... aber so rein gar nichts? Seltsam ...«
»Wir haben immer gestritten, wenn ich sie nach meinen Eltern gefragt habe. Ich solle nicht so undankbar sein ...«, sie schluchzte, »... und dieses Amulett ist alles ...«
»Vielleicht ist es ein Zeichen?« Er griff ihr von hinten über die Schulter – der Duft ihrer Haare war umwerfend – und besahsich noch mal das seltsame Ding, während es noch um ihren Hals hing. Das runde Stück Metall war warm, genau wie ihr Atem, der sein Gesicht von der Seite streichelte. »Michael ... Gabriel ... Raphael ... und Uriel.« Er mußte es sich dicht vor die Augen halten. »Es ist – wie gesagt – ein Schutzamulett mit den vier Erzengeln! Und etwas Wertvolleres konnten sie dir eigentlich gar nicht hinterlassen.«
Da er hinter ihr stand und seinen Kopf über ihre Schulter streckte, berührten sich ihre Wangen, als er das Kleingeschriebene auf dem Anhänger zu entziffern versuchte. Sie umfaßte seine Hand, die noch das Amulett hielt und drehte sich zu ihm um. Schweigend sahen sie sich in die Augen. Sanft wischte er ihr die letzten Tränen von der Wange und von ihren Lippen ... ehe die seinen ihren Mund leidenschaftlich mit Küssen überdeckten. Sie ließ sich in seine Arme sinken. Die Welten um sie herum kreisten. Himmel und Hölle jagten durch ihr Innerstes ... Luzifer und seine Dämonen standen hinter ihnen. Aber ... es war ihnen egal! Ihre Lippen konnten nicht voneinander lassen. Und wenn sie sich in der dunkelsten aller Höllen wiederfinden würden ... was hatten sie denn noch zu verlieren?
»Weißt du ...«, flüsterte sie, »... was du da tust?«
»Oh, ja!« Er hielt ihren Kopf und sah sie an. Schließlich löste er ihr hochgestecktes Haar, so daß es frei auf ihre Schultern fiel. »Das ist schon viel besser!« Mehr konnte er nicht sagen, schon hatte sie ihn wieder zu sich herangezogen ...
Ein Lichtschein erhellte plötzlich die Straße, und mit leisem Brummen rollte der Rolls-Royce in Richtung Pfarrhaus und Pension vorbei.
»Sie sind zurück!« Pierre hielt Marie immer noch in den Armen und hatte nur kurz den Kopf gehoben. »Ich muß ins Pfarrhaus!«
Sie küßte ihn wieder und wieder. »Warum?«
»Es gibt bestimmt noch Ärger wegen des Tumults heute morgen bei der Teufelsaustreibung! Als der zuständige Pfarrer war ich ja wohl keine große Hilfe.«
»Und ... was macht das schon?« flüsterte sie. »Jeder Tag, den wir noch verschwenden ... ist einer zu viel.« Ihre Lippen bekamen einfach nicht genug. »Und außerdem«, sie nutzte eine kurze Atempause, »hast du vergessen, daß das Pfarrhaus auf einemPulverfaß steht? Ein Funke und ...« Sie streichelte ihm über sein unrasiertes Kinn. »Und ich will nicht, daß dir etwas zustößt!«
»Die Zimmer in der Pension deiner Tante sind voll. Und außerdem kann ich mir etwas Schöneres vorstellen, als mit Zacharias und Rodrigues in einem Raum zu frühstücken.«
»Aber du kannst nicht zurück ins Pfarrhaus!« Sorgenvoll stich sie ihm über sein Haar. »Jedenfalls nicht, bis wir wissen, was wir mit diesem gefährlichen Zeug machen sollen!«
»Vielleicht könnte ich in der Schenke fragen? Nebenan ist bestimmt noch ein Zimmer frei.« Der Rolls-Royce kam langsam zurück und rollte am Fenster vorbei. »Da! Er hat seine Fracht bei Tante Pauline abgeladen und macht jetzt Feierabend.«
»Du könntest doch ... ich meine ... im Atelier ist doch Platz genug.« Sie ruderte mit den Armen, so wie sie es immer tat, wenn sie mit ihrem Mundwerk ins Schwimmen kam. »Ich meine ... nur so lange ... also, nur wenn du willst ... ich hoffe ... du verstehst mich nicht falsch!«
»Hm?« Nachdenklich sah er aus dem Fenster. »Nach dem heutigen Tag könnte ich im Pfarrhaus sowieso kein Auge zumachen ... Aber nur unter einer Bedingung!«
Er drehte sich ruckartig um und sah sie an. »Ich sterbe vor Hunger!« lachte er. »Du machst uns noch etwas Nettes zu Essen!«
Erwartungsvoll sah sie ihn an. »Ist das alles?«
»Ja,
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