Seelenbrand (German Edition)
zu unbequem ist ... wir brauchen es nur freizuräumen.«
»Für diese eine Nacht wird’s schon gehen!« er schnaufte. »Und dann muß ich mir sowieso überlegen, wie es weitergehen soll. Ich kann ja nicht ewig hier wohnen.« Genüßlich nahm er einen großen Schluck Erdbeerwein. »Wenn jemand herausbekommt, daß ich hier übernachtet habe, ist morgen die Hölle los!«
»Dann kannst du ihnen ja die Sache mit dem Schießpulver unter dem Pfarrhaus erzählen ...«, sie winkte ab, als sie ihre eigenen Worte hörte, »... du hast recht ... immerhin bist du der Pfarrer und ich deine Haushälterin ... da kommen die Leute eben sofort auf komische Gedanken.« Sie musterte ihn von oben bis unten und schlürfte genüßlich ihren Wein. »Aber ... da bist du ja auch selbst schuld ... wenn die Leute so etwas denken.«
»Wieso?« Er legte die bauchige Glasflasche auf die Seite und füllte sich sein Glas bis zum Rand.
»Ein Mann ... der so aussieht wie du ...«, der Aufgesetzte schien ihr die Zunge zu lockern, »... der wird doch kein Pfarrer!« Sie lachte, als er unsicher an sich herunterblickte.
»Vielen Dank! Ich nehme das mal als Kompliment!«
»Bist du denn niemals auf die Idee gekommen ...«, sie nahm hastig einen großen Schluck des Selbstgebrauten, »... zu heiraten?«
»Ach ...«, er suchte sich mühsam eine Antwort zusammen, »... irgendwie hat sich diese Frage nie gestellt ... leider!«
Die Geigen spielten gerade besonders kitschig und schmalzig – jedenfalls für seine Ohren –, aber Marie schien es zu gefallen. Sie ließ ihre Hände sanft im Takt mitschwingen und schloß die Augen. »Ach wie gern würde ich einmal auf einem solchen Ball tanzen!« Sie konnte ja ohnehin keinen Alkohol vertragen, aber diese Mengen auf leeren Magen wenn man mal von diesen zwei sauren Gurken absah ...
»Und was ist mit dir?« fragte er zurück.
Sie hörte abrupt mit ihrem Getänzel auf. »Was meinst du?«
»Na ... warum ist eine Frau ... wie du ... noch nicht verheiratet?«
»Ach so!« Sie erhob sich und drehte sich mit geschlossenen Augen zu den krächzenden Klängen, die der Trichter ausspuckte. »Sieh dir an«, sie wiegte sich hin und her, »was da draußen so alles frei herumläuft! Säufer, Schläger ...« Sie blieb stehen und öffnete die Augen. »Von anderen Dingen möchte ich gar nicht erst reden ...«
»Aha! Also doch ... eine richtige Männerhasserin! Deshalb wohl auch dein untadeliger Ruf hier in Rennes?«
Ihre Tanzkreise wurden größer und ihre Bewegungen ausladender. Zwischendurch machte sie immer mal wieder halt an der Flasche mit dem süßen Wein und goß sich unmäßig nach. »Was nützt dir ein untadeliger Ruf ... wenn du dafür immer einsam bist?« Sie drehte sich weiter, und die Geigen spielten unermüdlich ihren Dreivierteltakt. »Hier!« Sie hob den Finger und summte laut mit. »Meine Lieblingsstelle!«
Was war das? Sein Fuß hatte sich von ihrem Gehopse schon anstecken lassen und wippte mit. Das mußte wohl der Wein sein, denn getanzt hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht.
Das Grammophon verstarb nach kurzem Geleier, und erst nachdem Marie ihm mit der kleinen Kurbel wieder Leben eingehauchthatte, gaben die Streicher erneut ihr Bestes immer noch im Dreivierteltakt.
»Diesen Walzer kenn’ ich doch schon, oder?« Er nahm sich eine von den sauren Gurken.
»Ja!« Schwungvoll drehte sie sich um ihn herum, mit einer guten Portion Erdbeerwein im Blut, der ihr ganz offensichtlich zu der rasanten Kurvenlage verhalf. »Ich höre diese Walzer wieder und wieder!« Sie machte noch mal halt an der Weinflasche und goß den Rest in ihr Glas. Mit dem Wein in ihrer Hand kam sie unter den kratzenden Klängen aus dem Musikkasten zu ihm herübergeschwebt.
»Darf ich bitten?« Galant hielt sie ihm ihre freie Hand unter die Nase.
»Ich will ja kein Spielverderber sein, aber ich tanze nicht!« So betrunken war er wiederum auch noch nicht, daß er jetzt freiwillig das Tanzbein schwingen würde. Männer, die sich in weibischem Gewoge hin und her schwangen, waren ihm immer schon suspekt gewesen. Ein richtiger Kerl kreiste doch nicht mit seinen Hüften. Oah! Bei dem Gedanken mußte er sich regelrecht schütteln.
»Na, dann nicht!« Sie hob ihre Nase und tanzte in die andere Ecke des Ateliers hinüber. Ob die vielen Schwünge nun gewollt, oder vom Erdbeerwein beeinflußt waren, konnte man nicht mehr ausmachen.
»Dann nehm’ ich eben den anderen!« rief sie betont hochnäsig – es war wohl doch das Erdbeergebräu. Sie
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