Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
umbringen!“
Jonathans Miene wurde mit einem Mal ganz kalt. „Ich habe versucht, freundlich zu sein. Wirklich. Aber du lässt mir einfach keine andere Wahl.“ Er presste den Mann noch fester gegen die Wand, woraufhin dieser ein ersticktes Keuchen hören ließ. „Du musst dich entscheiden, Melica. Entweder du übernimmst jetzt seine Seele oder du wirst deine Familie nie wieder sehen.“
Angst eroberte Melicas Körper und vernebelte ihr Denken. „Was?“
„Du darfst nur zurück, wenn ich mir sicher bin, dass du auch ohne mich überleben kannst. Und wenn ich weiß, dass du keine unnötige Aufmerksamkeit auf dich lenken wirst. Und das geht nur, wenn ich dir zeige, wie genau du seine Seele übernehmen und was du mit der Leiche anstellen musst.“
Melica blickte ihn verzweifelt an. „Und es gibt wirklich keine andere Möglichkeit?“
Jonathan schüttelte den Kopf und sie hatte das Gefühl, als würden hunderte Messerklingen gleichzeitig in ihr Herz gestoßen werden. „Was ist mit der Seele, die ich sowieso schon übernommen habe?“ Sie würde nichts unversucht lassen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, diesen ganzen Irrsinn zu beenden! „Können wir das nicht einfach immer so machen? Du stöberst sterbende Menschen auf…keine Ahnung wie…Und schließt diese Seelen dann in diese Fläschchen ein? Diese gibst du mir dann, ich übernehme die Seelen und…alles wird gut?“
Jonathan starrte sie ungläubig an. „Ich glaube, du hast diese Sache noch nicht so ganz verstanden. Seelen kannst du nicht einfach in irgendwelche Flaschen sperren und mitnehmen. „Coffee To Go“, mag es vielleicht geben – „Soul To Go“ kannst du vergessen!“ Er verzog seine Lippen zu einem harten Strich. „Du kannst von diesen alten Seelen zwar leben, aber nicht überleben, verstehst du? Unsere Körper sind tot, Melica. Deshalb brauchen wir die Seelen. Sie schenken uns Leben. Doch es ist kein Leben mehr, wenn es in Flaschen gefüllt worden ist.“
„Aber warum hast du dann so viele davon in deinem Badezimmer?“
Jonathan zuckte die Achseln. „Uns steht eine schwierige Zeit bevor. Und auch, wenn wir von diesen Seelen nicht überleben können, stärken sie uns doch ungemein. Ich schätze, ich hatte einfach Glück, dass ich in letzter Zeit so viele Menschen sterben gesehen habe.“
Glück? Leicht schüttelte Melica den Kopf. Sie konnte einfach nicht mehr. „Es tut mir so leid“, flüsterte sie mit bebender Stimme. Sie wagte es nicht, den Mann anzusehen, während sie einen zögerlichen Schritt vortrat, viel zu groß war ihre Angst, den Schrecken und die Abscheu auf seinem breiten Gesicht zu entdecken. „Ich möchte das wirklich nicht.“ Sie seufzte schwer. „Was muss ich tun?“
Jonathan hielt den Mann noch immer hart gegen die Wand gepresst, doch er rutschte ein Stück zur Seite. „Es ist leichter, wenn er bewusstlos ist. Du musst ihn also zuerst ohnmächtig schlagen.“
Melicas Hände zitterten. Sie schlich auf den Mann zu und blieb dicht vor ihm stehen.
„Schlag ihm einfach ins Gesicht.“
Sie schluckte schwer. Dann hob sie den Kopf. Der Ausdruck in den Augen des Fremden war noch viel schrecklicher als sie befürchtet hatte. Es lag keine Angst mehr in ihnen, keine Wut – nur pure Resignation. Er hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden, war bereit durch ihre Hand zu sterben. Kein Ton verließ seine Lippen.
Melica bewunderte ihn dafür. Wäre sie selbst in seiner Lage gewesen, müsste sie sterben, nur um jemandem anderen das Leben zu schenken…Sie hätte geschrien.
Doch so machte er es ihr einfacher. Sie hob die Hand. „Mir bleibt keine andere Wahl“, wisperte sie und blickte den Fremden verzweifelt an.
Dessen Miene veränderte sich schlagartig. Von der Resignation war keine Spur mehr zu sehen, stattdessen stand nun unverhohlene Wut auf seinem Gesicht. Wut gemischt mit einer gehörigen Portion Hass. Der Mann verabscheute sie. Und als wäre eben dieses Wissen nötig gewesen, wurde Melica bewusst, was genau sie dort tun wollte. Sie konnte doch niemanden umbringen! Ihre Familie hin oder her! War sie denn verrückt, dass sie überhaupt darüber nachdachte?
„Schlag zu!“
Melica hob ihre Hand noch höher, die Gedanken in ihrem Kopf wirbelten umher und brachten sie vollkommen aus dem Gleichgewicht. Gott, was sollte sie nur tun?
„Jetzt schlag schon zu, verdammt!“
Melica zögerte nicht länger. Sie schlug zu.
Jonathans Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er ihre Faust direkt auf sich zuschießen
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