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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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»Kapitalflussberatung«, die für Jay die reinsten böhmischen Dörfer waren, aber laut dem Typ, der die Rechnungen tippte, tatsächlich etwas bedeuteten.
    Kosigin war anders als jeder andere, für den Jay bislang gearbeitet hatte. Zum einen wollte er alles wissen – jedes Detail. Und dann ließ er sich von Jay die Geschichte immer mehrmals erzählen. Jay war sich nie so recht klar, ob Kosigin hoffte, ihn bei Widersprüchen zu ertappen, oder ob der Typ sich lediglich an Jays Schilderungen aufgeilte. Sicher war jedenfalls, dass Kosigin – wie sehr Jay auch ins blutrünstige Detail gehen mochte – niemals zusammenzuckte, nie die geringste Emotion verriet. Er stand lediglich da am Fenster seines Büros oder saß an seinem Schreibtisch mit wie zum Gebet gefalteten Händen, so dass die Fingerspitzen eben sein Kinn berührten. Der Scheißer war abartig, gar keine Frage. Überhaupt keine Frage.
    Andererseits hatte Jay das Gefühl, dass er von Mr. Kosigin einiges in Sachen Auftreten lernen konnte. Er schätzte Kosigins Kleidungsstil. Kosigin trug bei der Arbeit Brooks Brothers und zu zwangloseren Anlässen L. L. Bean, das Konservativste vom Konservativen. Er hätte sich in einem Armani nie wohlgefühlt, nicht einmal wenn’s ein echter gewesen wäre. Er war unnahbar, aber das ließ ihn nur umso stärker erscheinen. Jay besuchte ihn gern in seinem Büro. Er studierte ihn gern.
    Es war wie eine Botschaft, als Kosigin ihm den Auftrag gab, der dazu führte, dass Reeve ihm frei Haus geliefert wurde. Es war wie ein Traum. Jay hätte Reeve seitdem ein Dutzend Mal auf die verschiedensten Weisen ausschalten können, aber er wollte eine persönliche Begegnung. Er wollte wissen, wie es Reeve damals ergangen war und was er den Lamettaträgern erzählt hatte. Nur so, zur Befriedigung seiner Neugier.
    Und dann würde er ihn töten.
    Und sollte Reeve nicht reden wollen oder einen unüberlegten ersten Zug machen... tja, dann würde Jay ihn, ohne einen Augenblick zu zögern, über den Haufen schießen.
    »Wo ist dieses verdammte Anschlagbrett?«, murmelte er, während er durch die von Menschen wimmelnde Terminalhalle ging. Man kam sich vor wie auf einem Demolition Derby für Gepäckwagen und Rudel von Senioren-Ehepaaren, allesamt mit Gehhilfen, Regenschirmen, Golftaschen und über bleistiftdünne, altersfleckige Unterarme gefalteten Regenmänteln. Regenschirme in LA-LA-Land! Es war ein Irrenhaus, und die Verrückten hatten hier schon so lange das Sagen, dass keiner sich mehr die Mühe machte, das System in Frage zu stellen.
    »Ich liebe diese Stadt«, sagte er laut, während er um das letzte Hindernis herummanövrierte. Endlich sah er den Informationsstand, obwohl das Ding sein Bestes tat, um optisch mit der Umgebung zu verschmelzen. Er kam an zwei seiner Jungs vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen; aber als er das Anschlagbrett erreichte, machte er auf dem Absatz kehrt, sah sich gründlich um und musterte die Szene draußen vor der großen Glasfront – ein Durcheinander von Taxis und Minibussen und einem hektischen Bullen, der mit wild wedelnden Armen Ordnung in das Chaos zu bringen versuchte. Der Bulle hatte eine Trillerpfeife im Mund, wie ein Schiedsrichter. Jay erinnerte sich an diesen Augenblick in der ausgescharrten Kuhle, als er begriffen hatte, dass er, so lange wie er regungslos dagelegen hatte, entweder aufspringen und kämpfen musste oder buchstäblich implodieren würde. Okay, nennen wir die Sache beim Namen: er war durchgedreht – aber scheiß drauf. Reeve war ein solcher Kneifarsch, der wäre noch liegen geblieben, wenn man ihm eine Handgranate zwischen die Backen geschoben und gezündet hätte. Wenn Jay nicht aufgestanden und losgerannt wäre, hätte es sie höchstwahrscheinlich beide erwischt. Das war eine weitere Sache, die er Reeve sagen wollte; er wollte, dass Reeve sich dafür bedankte, dass er ihn aus der Situation rausgeholt hatte. Ein bisschen Respekt konnte er ja wohl verlangen.
    Er schaute wieder um sich und hinauf zur Decke, und nichts, was er sah, sah nach einer Falle aus.
    Also guckte er sich jetzt das Anschlagbrett an, von beiden Seiten, und lächelte dem Mann am Informationsstand zu für den Fall, dass der irgendwas mit der Sache zu tun hatte. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die angepinnten Zettel und insbesondere auf die gefaltete Papierserviette mit der Aufschrift »JAY«. Er berührte sie mit einem Finger, strich mit der Handfläche darüber, um einen etwaigen Hubbel zu spüren,

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