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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Männerstimme: »Ja?«
    Ich schwieg verwirrt. War das nun Felix oder Andy gewesen?
    Aber noch bevor ich den Hörer auflegte, war die Stimme von Felix deutlich zu erkennen, als er beschwörend weiterredete: »Maja, falls du es bist, dann sag doch etwas, um Gottes willen! Ich mache mir solche Sorgen!«
    Bei dem Wort Sorgen war mein Schweigevorsatz bereits vergessen, und ich versicherte genüßlich-larmoyant, uns ginge es schlecht. Und wo war Cora?
    »Ich bin mit dem Zug zurückgefahren, weil Cora...« Er zögerte kurz, aber dann war kein Halten mehr. »Also, wir waren letztes Wochenende in der Toskana. Dort traf meine Kusine einen alten Freund namens Dino, und von da an war ich völlig abgeschrieben. Sie sprachen bloß noch italienisch miteinander, und ich verstand nur Bahnhof. Leider warst du die Leidtragende und mußt nun entschuldigen, daß ich dir meine Großmutter so lange aufgehalst habe... Ich war wie verhext.«
    Typisch Cora, dachte ich voller Wut, fragte aber dennoch: »Macht sie sich ebenfalls Sorgen um mich?«
    Felix überlegte. »Warum sollte sie? Sie ahnt doch gar nicht, daß du nicht mehr in Darmstadt bist. In den letzten Tagen in Castellina hat sie ein paarmal versucht, bei euch anzurufen, aber niemand hat sich gemeldet.«
    Gut, das mochte stimmen, sowohl Andy als auch Kathrin und ich waren nicht ständig zu Hause gewesen. Aber hätte sie nicht eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen können?
    Die vielen Vorwürfe, die mir auf der Zunge brannten, blieben ungesagt. Ich ahnte, daß es Felix nicht viel besser ergangen war als mir selbst. Wenn es zu Coras Amusement beitrug, wurden wir benutzt, und wenn sie sich einem neuen Spielzeug zuwandte, kurzerhand beiseite gelegt.
    »Wieso konnte ich euch nie erreichen?« fragte ich kläglich und erfuhr, daß Coras Handy irgendwo am Meer verlorengegangen, vielleicht auch geklaut worden sei.
    »Aber nun sag mir endlich, wo ihr euch verkrochen habt - du und Allerleirauh. Von Andy weiß ich bloß, daß du Bela zu seinem Vater gebracht hast.«
    Diese Frage wollte ich unter keinen Umständen beantworten und beendete das Gespräch etwas abrupt.
    Als Kathrin geduscht, gekämmt und rasiert aus dem Badezimmer trat, hatte ich nicht - wie ausgemacht - das Frühstück zubereitet, sondern lag tatenlos und weinerlich auf meinem Bett und grübelte. Cora hatte sich also weder nach Darmstadt noch nach Florenz bequemt, sondern trieb sich mit Dino im Chianti herum. Irgend etwas war da oberfaul.
    Schließlich hatte sie diesen hübschen Jungen - wie viele andere zuvor - kaum ernst genommen, von einer leidenschaftlichen Verliebtheit konnte schon gar nicht die Rede sein. Und dennoch schien sie seine Gesellschaft der meinen vorzuziehen.
    »Hallo, Maja«, sagte Kathrin und wedelte mit dem nassen Handtuch vor meiner Nase herum, »bist du wieder eingepennt?
    Ich hoffte eigentlich, den Duft von frischem Kaffee...« Dann sah sie, daß ich weinte. »Nix für ungut«, meinte sie, »ich setz' ja schon Wasser auf. Von mir aus kannst du Bela heute noch holen, wenn er dir so fehlt.«
    Ich schneuzte mich. Natürlich vermißte ich mein Kind, aber ich wußte, daß es ihm gutging. Viel trauriger war es, daß mich kein Mensch vermißte, vor allem Cora nicht.
    Das Wasser in der Küche kochte sprudelnd über, ich beeilte mich, den Kaffee aufzugießen. Als Kathrin mit einer Tüte voller Hörnchen in der Tür stand, hatte ich mich schon einigermaßen gefaßt und sogar den Tisch gedeckt. Wenn das Morgenlicht durch die hohen Fenster schien und die vielen winzigen Spiegel auf den orientalischen Tüchern zum Glitzern brachte, war es sehr schön in dieser fremden Wohnung.
    Je eine große Kastanie stand vor und hinter dem Haus, so daß man von allen Fenstern in Blattwerk schauen konnte, das bei unterschiedlichem Sonneneinfall hell- oder dunkelgrün leuchtete. Ich stellte fest, daß auch in einer Großstadt eine Vielzahl von Vögeln heimisch war: Tauben, Spatzen, Amseln zumeist, gelegentlich auch eine Elster und ein Kohlmeisenpaar. Eigentlich hatten sie es in den städtischen Kastanienbäumen nicht schlechter getroffen als im Wald, und auch wir konnten hier mit etwas Geld ganz angenehm leben. Cora sollte mir gestohlen bleiben, Kathrin war viel netter.
    »In einer halben Stunde muß ich los«, sagte Kathrin, »die Arbeit ruft! Hast du dich entschlossen, ob du mitkommen willst?«
    Kurz darauf saßen wir in der U-Bahn und spielten schwarzfahren.
    Kathrins Termin bestand in zwei Beratungsstunden für

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