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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Fenster wies. Was nun?
    Ausnahmsweise begann Kathrin nicht zu seufzen, sondern hatte eine konstruktive Idee. »Bernd macht jetzt ebenfalls Feierabend; sein Auto steht immer in der Tiefgarage.
    Wir bitten ihn, uns ein Stück mitzunehmen, und bei der Gelegenheit sprechen wir ihn endlich auf das Geld an.«
    Der Direktor hatte angeblich bloß zwanzig Mark dabei, zeigte sich aber zu Chauffeurdiensten bereit. Gemeinsam fuhren wir mit dem Lift in den Keller, wo wir keine fragwürdigen Personen antrafen, und von dort mit dem Wagen bis zum Museum für Kunsthandwerk, das ich seit langem einmal besuchen wollte. Während der Fahrt bekamen wir die Krankengeschichte vo n Bernd Koppenfelds Frau zu hören.
    Bis dahin lief alles reibungslos, aber es schien mein Schicksal zu sein, stets auf geschlossene Museen zu stoßen; wir mußten mit dem angrenzenden Garten-Cafe vorliebnehmen.
    Eis in allen Variationen - davon hätte ich leben können.
    Bei diesem harmlosen Vergnügen schwelgte ich gern in Erinnerungen an südliche Ferien in Coras Begleitung. Wie oft hatten wir nach einem überstandenen Abenteuer eine Cassata gelöffelt und bei einem Lachanfall hemmungslos gekleckert.
    In Gedanken erzählte ich Cora, wie der Zuhälter immer noch am Tor des Haupteingangs herumlungerte, wobei ihm
    allmählich die Füße einschliefen. Diese Vorstellung belustigte mich so, daß ich mitten in Frankfurts City wie ein Teenager losgackerte und, meinem Sohn nicht unähnlich, Eisschokolade auf Kathrins Lehrmaterialien prustete.
    Sie stieß einen mißbilligenden Laut aus. »Mal heulst du ohne Grund, mal lachst du wie eine Irre - wie soll man wissen, woran man bei dir ist! Ein Psychiater würde manischdepressiv dazu sagen!«
    Wer eine Mutter hat, die sich in einer schweren Depression das Leben nahm und womöglich selbst erblich belastet ist, will von so etwas nichts hören. Als hätte sie mit ihrer Diagnose recht, stürzten mir plötzlich Tränen aus den Augen.
    Ohne die Gründe meines Ausbruchs zu verstehen, versuchte Kathrin mich zu trösten.
    »Du solltest deine Freundin mal anrufen«, sagte ich und tupfte mit dem Taschentuch an mir, ihr und dem Lehrbuch herum, »Erik hat wahrscheinlich von ihr erfahren, daß du bei der VHS angestellt bist.«
    Allmählich war auch ich mit den Nerven am Ende. Waren wir wirklich in Gefahr? Wollte Erik bloß die Bilder zurückhaben, oder trachtete er Kathrin nach dem Leben?
    »Am liebsten würde ich abhauen«, jammerte Kathrin, und ich konnte sie verstehen.
    Sie wolle zwar keinesfalls ihren Job verlieren, aber jetzt sei es wohl wichtiger, vorübergehend abzutauchen. Bei diesen Worten begann es mir langsam zu dämmern, daß ich mal wieder die Stellung halten sollte, bis Kathrin die Bilder aus dem Haus geschafft und zu Geld gemacht hatte.
    Von der Wohnung aus rief sie ihre Freundin an, nach deren Bericht ich den Ernst der Lage begriff. Am Tag nach unserem Bilderraub hatte Erik nämlich Shirley aufgesucht und mit diffusen Drohungen zum Reden gezwungen. Da auch Shirley keine Heldin war, hatte sie am Ende doch etwas von der
    Vokshochschule gesagt, es war schließlich ein öffentlicher Ort, wo er kaum handgreiflich werden konnte.
    »Das ist aber eine blöde Gans«, stellte ich fest. »Sie hätte dich auf irgendeine Art warnen müssen, zum Beispiel mit einem hinterlegten Brief im Sekretariat.«
    Kathrin bemerkte spitz, so clever wie ich sei eben nicht jeder. »Die Bilder müssen weg«, entschied sie. »Ich werde versuchen, sie im Ausland zu verkaufen, zumindest erst einmal eines davon. Die anderen sollten an einem sicheren Ort deponiert werden. Meinst du, Cora könnte uns helfen?«
    Dieses Ansinnen schockierte mich, denn ich wollte vor Cora nicht zu Kreuze kriechen. Andererseits konnte man Kathrin nicht völlig im Stich lassen.
    Mein Einfall war zwar ein wenig merkwürdig, aber alle Geniestreiche basieren auf originellen Ideen. Irgendwo in meinem Koffer lag noch die Visitenkarte mit der Anschrift jenes Österreichers, der mir in der Eisenbahn eine Stelle als Verkäuferin in seinem Souvenirladen angeboten hatte. Nach einigem Suchen fand ich die Telefonnummer und rief in Innsbruck an.
    Der alte Mann wußte anfangs nicht recht, wer ich war.
    Aber als er sich schließlich erinnerte, war er entzückt. Ein fesches Mädel sei jederzeit herzlich willkommen. Er verstand wahrscheinlich gar nicht, daß ich ihm bloß eine Freundin schicken wollte.
    Kathrin hielt Innsbruck sofort für ein lockendes Ziel.
    Wir packten das Landschaftsgemälde -

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