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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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begleitest, komme ich anschließend mit zu dieser Fixerin; wie heißt sie eigentlich?«
    »Sie nennt sich Polly Wacker, und sie wohnt irgendwo im Norden von Frankfurt, wir müssen mal auf der Karte nachschauen.«
    Nach den Aufregungen der letzten Tage gelang es mir schlecht, mich auf eine Sache zu konzentrieren; überdies saß ich vor einem ungeputzten Gemüseberg, weil ich versprochen hatte, für die gesamte Belegschaft Ratatouille zu kochen.
    Coras Worte hatten mich vollends verunsichert. Sollte ich weiterhin Kathrins Unterricht übernehmen, nur damit ihr diese Stelle erhalten blieb? Verdiente sie so viel Loyalität?
    Ich für meinen Teil hatte durch eigenes Verschulden meine Anstellung als Fremdenführerin verloren, und es tat mir heute noch leid. Womöglich würde mich Bernd Koppenfeld ohnehin feuern, weil meine letzte Stunde unentschuldigt ausgefallen war. Aber wozu besaß ich ein ärztliches Attest?
    Da Cora die ganze Zeit in erwartungsvoller Pose verharrte, fuhr ich mit der Schilderung meiner eigenen Erlebnisse fort und zeigte ihr zum Beweis die Brandwunden.
    Meine traumatischen Erlebnisse waren vor lauter Mordplänen viel zu wenig gewürdigt worden. Meine Freundin strahlte, als ich die Fesselung von Dickwanst und Dandy so anschaulich schilderte, als sei ich dabeigewesen; es gefiel ihr auch über die Maßen, daß ich Erik zur Putzfrau gemacht hatte. Aber als ich schließlich zum Abschluß das unterzeichnete Protokoll vorlesen wollte, konnte ich es nicht finden.
    Ich suchte herum, störte Max in seiner Klause und wühlte schließlich vergeblich in den Schreibtischen von Felix und Andy. Nach Eriks Abgang hatte ich dieses wichtige Dokument noch auf dem Küchentisch liegen sehen.
    Einer von uns mußte es doch eingesteckt haben.
    Mir ließ die Angelegenheit keine Ruhe. Als sich abends alle, bis auf die verbannte Zilli, wieder eingefunden hatten und mein zerkochtes Gemüsegericht mit Weißbrot auftunkten, fragte ich Felix, Max und Andy nach dem Verbleib unseres Schriftsatzes aus. Keiner von ihnen wollte das Papier an sich genommen haben.
    »Ich dachte, Maja hätte es in der Handtasche«, meinte Felix.
    Max schüttelte unvermittelt und ärgerlich den Kopf, weil ihn der eigene Gedankenblitz nicht sonderlich froh stimmte; aber er glaubte plötzlich, des Rätsels Lösung zu wissen.
    »Erik kam noch einmal die Treppe hoch«, sagte er und blickte dabei mehr oder weniger schuldbewußt in die Runde, »und wollte sein Handy zurückhaben. Dieser Kerl ist offenkundig cleverer, als wir angenommen haben. Wahrscheinlich hat er das Protokoll hinter unserem Rücken einkassiert.«
    »Scheiße«, sagten wir im Chor.
    Nur Cora schwieg fassungslos und sammelte sich zum Angriff, um uns schließlich eine Kanonade von Schimpfwörtern an den Kopf zu werfen. Nieten, Nullen, Deppen, Versager, Flaschen - das waren noch die harmlosesten Ausdrücke.
    Als sie erreicht hatte, daß alle beleidigt waren, fragte sie in harmlosem Plauderton: »Wie geht es eigentlich deinem Großvater, Felix?«
    Er schluckte ein paarmal und ließ sie wissen, daß die Tage des alten Herrn gezählt seien.
    »Oma tut mir so leid«, sagte Cora, ganz Mitgefühl, »kann man ihr in irgendeiner Weise helfen?«
    »Ich fahre sie täglich ins Krankenhaus, am Wochenende übernimmt es meine Mutter«, sagte Felix, »mehr kann man nicht machen. Hoffentlich erwischen wir den richtigen Moment, damit sie bei ihrem Hugo ist, wenn er die Augen schließt. Ich gönne es den beiden, daß sie bis zum letzten Atemzug beisammen sind.« Wir nippten alle gleichzeitig an unserem Tee und sagten nichts mehr.
    Cora hatte mich dazu überredet, am nächsten Tag noch vor meinem Termin in der Volkshochschule bei Polly Wacker vorbeizuschauen. Nachdem wir uns einige Male verfahren hatten, landeten wir vor einem Hochhaus in Frankfurts Norden und entdeckten unter den vielen Schildern tatsächlich den gesuchten Namen. Cora drückte auf den Klingelknopf und mußte lange warten, bis aus dem Lautsprecher ein gedehntes Wer? ertönte. »Ich bin's, die Hildegard von Bingen«, rief meine
    Freundin wie der kreidefressende Wolf, der die Großmutter überfällt.
    »Kenn' ich nicht«, tönte es durch die perforierte Wand.
    »Doch«, sagte Cora, »wenn du mich siehst, wirst du dich sofort erinnern.«
    Polly fiel darauf rein. Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in den neunten Stock und wurden dort vor einer Tür in Empfang genommen.
    »Hallo«, sagte Polly unsicher, »ich wüßte aber wirklich nicht... «
    »Ich bin Bianca

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