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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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sei dagegen ein ganz anderer Fall. Vielleicht benutze sie das Schwimmbad nur, um gelegentlich die Beine hineinzuhängen.
    »Wenn es nicht funktioniert, kann man natürlich nichts machen«, lenkte Cora ein, »aber du riskierst doch nicht viel bei einem kleinen Versuch... «
    Fast imponierte mir Pollys sture Weigerung; sie war außerdem nicht bereit, uns die Adresse ihrer Freundin zu nennen. Angeblich hätten sie seit der italienischen Katastrophe keinen Kontakt mehr miteinander. Auch als Cora sie mit Drohungen und finsteren Andeutungen unter Druck setzte, blieb sie standhaft, ja versuchte sogar ihrerseits, uns als Verbrecherinnen abzustempeln. »Ich kenne keinen einzigen Menschen aus Bingen«, sagte sie zu Cora. »Du hast mich von Anfang an belogen. Ihr seid zwei ordinäre Kriminelle, mit denen ich nichts zu tun haben möchte. Wenn ihr nicht sofort meine Wohnung verlaßt, rufe ich die Polizei!«
    »Hahaha!« machte Cora.
    Als ich auf die Uhr schaute, war es höchste Zeit für die Volkshochschule. »Cora, bitte...«, sagte ich.
    Fairerweise brach sie den Erpressungsversuch auf der Stelle ab. »Wir sprechen uns noch«, sagte sie zu Polly. Ich nahm an, daß sie im Augenblick selbst nicht genau wußte, wie sie sich verhalten sollte, und Zeit zum Nachdenken brauchte.
    Als wir an die Bürotür von Bernd Koppenfeld klopften, regte ich mich stärker auf als zuvor beim Besuch von Polly Wacker. Nichts konnte ich schlechter ertragen, als wenn man mich abkanzelte, kritisierte, mir Moralpredigten hielt.
    Bernd hob den Kopf, als ich eintrat, sah Cora an meiner Seite und rief aufgebracht: »Da kommt ja schon wieder eine Neue! Mit unzuverlässigen Mitarbeitern möchte ich mich ein für allemal nicht mehr herumplagen; ich werde mich persönlich um einen Ersatz für Kathrin Schneider bemühen.
    Schönen Gruß, und sie soll sich gemeinsam mit ihrer Großmutter beerdigen lassen.«
    Bereits auf dem Flur hatte ich das ärztliche Attest herausgekramt, das ich Kathrins Chef nun mit leidender Miene unter die Nase hielt.
    Wie stets hatte Cora die Situation schnell erfaßt. »Ich bin keineswegs zur Unterrichtsvertretung mitgekommen«, versicherte sie, »sondern nur, um meiner Freundin bei Gefahr zur Seite zu stehen.«
    »Gefahr? Hier in unserer Schule?« Ungläubig las Bernd das Attest. »Das muß man mir erst einmal erklären!«
    Ich behauptete, Skinheads hätten mich direkt vor dem Gebäude gekidnappt und gefoltert; selbstverständlich hätte ich bereits Anzeige erstattet.
    »Seltsam«, sagte Bernd, »bei mir hat sich noch kein ermittelnder Polizist gemeldet, und auch sonst ist dieser Stadtteil einer der friedlichsten. Aber du hättest mich wenigstens anrufen können!« Immerhin schien er mir zu glauben, denn er setzte mich nicht gleich wieder vor die Tür, sondern erlaubte mir, einen Blick in die Anmeldungslisten zu werfen. Die Bögen für den Kurs >Deutsch als Fremdsprache waren etwas mühsam zu finden, und ich konnte erst nach längerem Suchen nachlesen, daß die Thailänderin Seng Aroon Hüter hieß.
    Voller Hemmungen begann ich schließlich, meine Gruppe zu unterrichten, was mir aber in Coras Gegenwart gründlich mißlang. Als sie sah, wie unkonzentriert und fahrig ich war, griff sie ein und improvisierte einen charmanten Vortrag über die italienische Küche, schrieb l'antipasto, gli Spaghetti und il brodo an die Tafel und verstand es, in Windeseile meine Schüler für sich zu gewinnen. Wahrscheinlich konnte man es mir nie recht machen, denn ich freute mich keineswegs über die gutgemeinte Hilfe.

Als Cora und ich die Volkshochschule verließen, stand der angebliche Zuhälter aus Groß Gerau am Schultor, verzog aber diesmal bei meinem Anblick den Mund zu einem stupiden Grinsen. Wegen dieses rumhängenden Biedermanns hatte sich Kathrin vor Angst schier ins Hemd gemacht. Ich erzählte Cora lieber nichts von jenem Fiasko. Sie fing nämlich gerade wieder damit an, den Verlust unseres Protokolls zu beklagen.
    »Das war eine total überflüssige Panne. Wie kann man nur so unprofessionell sein! Warum habt ihr eigentlich keine Fotos gemacht? Die verwüstete Wohnung, die gefesselte Maja, das sind doch erstklassige Motive! Aber vielleicht ist noch etwas zu retten - liegt eure Wohnung hier in der Nähe, und hast du überhaupt die Schlüssel dabei? Dann sollten wir auf alle Fälle prüfen, ob dieser Wisch nicht vielleicht unter den Küchentisch getrudelt ist... «
    Es war zwar ein Umweg, aber ich dirigierte sie unverzüglich ins Westend. »Fahr

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