Selige Witwen
Im übrigen habe ich mir überlegt, daß ich ihm später einmal eine Eliteschule finanziere.«
Mir war die Petersilie verhagelt. Schließlich stand es meiner kinderlosen Freundin nicht zu, mich als Rabenmutter einzustufen. »Wenn wir Bela heute dabeihätten«, bemerkte ich finster, »dann wäre nichts aus dem Besuch bei Polly und dem Unterricht in der VHS geworden, geschweige denn aus dem Coup mit der Taschenlampe!«
»Geschenkt«, sagte sie, »das war heute tatsächlich kein Kinderprogramm. Wenn wir Bela das nächste Mal nach Deutschland mitnehmen, zeige ich ihm den Frankfurter Zoo, und bevor du gleich zu heulen anfängst, gehe ich schnell aufs Klo. Kannst du inzwischen zahlen?«
Wortlos öffnete ich mein leeres Portemonnaie.
»Ach so«, sagte sie nur, drückte mir das eigene in die Hand und verschwand. Es wurde höchste Zeit, daß sie sich darüber klar wurde, wie lange ich ohne ihre Unterstützung ausgekommen war. Ich nahm mir vor, Cora mit Nachdruck auf meine Schulden hinzuweisen.
Dann dachte ich voller Sehnsucht an Bela und erinnerte mich, wie wir kürzlich einen italienischen Zoo besucht hatten.
Ein kinderlieber junger Tierwärter nahm sich die Zeit, uns genau zu erklären, wo sich die interessantesten animali befanden - zum Beispiel die Affenfamilie, die Löwenmutter mit ihren Jungen und so weiter. Auf der Heimfahrt fragte Cora: »Welches Tier hat dir denn am besten gefallen?«
Bela grübelte ein wenig und sagte dann mit Nachdruck: »Der Wärter!«
Ein so süßes Kind wie meines erregte wahrscheinlich Coras Neid, obwohl sie selbst unter keinen Umständen Mutter werden wollte. Es war vielleicht ein unterschätztes Problem, daß ich etwas besaß, was sie nicht kaufen konnte.
Als wir in Darmstadt ankamen, spazierten wir noch ein wenig durch den Platanenhain der Mathildenhöhe, um das schöne spätsommerliche Wetter auszukosten. Die ersten Spinnweben hatten sich auf die Reise gemacht und schwebten wie Silberhaare alter Weiber durch die Luft. Es roch bereits ein wenig herbstlich nach modernden Blättern. Plötzlich stürzte eine tote Taube vor uns auf den Bürgersteig, als sei sie geradewegs vom Himmel gefallen.
»Seltsam«, sagte Cora, ein wenig erschrocken, »so etwas habe ich noch nie erlebt! Dabei sind jede Menge Vögel in der Stadt, wer begräbt sie eigentlich, wenn sie sterben?
Warum liegen sie nicht überall herum und stinken?«
Ich führte die Müllabfuhr ins Feld und verschwieg, daß ich eine tote Taube für ein böses Omen hielt. Cora zeigte niemals Verständnis für meine kleinen abergläubischen Anwandlungen und hatte auch keine Ahnung, daß geflügelte Wesen stets Boten aus dem Jenseits sind. Vielleicht hätte ich sie warnen sollen, denn in diesem Fall bewahrheitete sich das Menetekel.
»Wenn ich wüßte, wie man an Methadon herankommt«, sinnierte Cora und schubste das graublaue Friedenssymbol mit der Schuhspitze vom Bürgersteig, »dann würde ich es höchstpersönlich und ohne Hemmungen an dieser überfälligen Amerikanerin ausprobieren.« Anscheinend dachte sie an nichts anderes mehr als an das verlorene Paradies in der Toskana.
Vielleicht wollte ich mich wichtig machen, als ich sagte: »Das könnte ich dir besorgen, ich hab' da gewisse connections.«
»Echt? Sag bloß...«, Cora wunderte sich, »dann hätten wir uns doch die sture Polly schenken können!«
»Ohne Geld läuft nichts«, sagte ich, »als du mit Felix abgedampft bist, hast du mir keine müde Mark hinterlassen.
Ich habe Schulden bei Andy, Jonas, Felix, Kathrin...«
Cora setzte sich unverzüglich auf eine niedrige Gartenmauer und schrieb zehn Blankoschecks aus. »Tut mir leid, daß du mich daran erinnern mußtest«, sagte sie, »ehrlich! Aber laß dir die Papierchen nicht gleich von Erik wieder abjagen!«
In der WG erwartete uns bereits Felix; diensteifrig holte er eine Kanne mit Rooibuschtee und schenkte uns ein. Zum Dank strubbelte Cora ihm über die Stoppelhaare, verzog sich aber mit ihrem Handy in eine Ecke und buchte kurz entschlossen für den nächsten Tag einen Flug nach Florenz.
Ich bettete meine Füße auf einen Hocker und erzählte Felix, daß wir einen weiteren Bösewicht erfolgreich überwältigt hatten, aber er schlug sich keineswegs lachend auf die Schenkel und rief bravo, Mädels!, sondern machte ein besorgtes Gesicht. Das sei nicht unsere Kragenweite, meinte er, wir sollten lieber die Finger von solchen Kerlen lassen.
Jetzt gäbe es bereits drei üble Typen, die nach Rache lechzten.
»Wenn Kathrin
Weitere Kostenlose Bücher